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Archiv-Artikel

Der kleine Unterschied

Rot-Grün und Schwarz-Grün in den Bezirken im Vergleich: Die größten Differenzen finden sich bei Gleichstellung und Bürgerbeteiligung. Zuweilen ist die Geographie wichtiger als die politische Konstellation. Anderer Geist in der Sozialpolitik

von gernot knödler

Ob sich die Grünen in den Bezirken mit den Schwarzen oder den Roten zusammengerauft haben, macht bloß beim Thema Gleichstellung einen großen Unterschied. Das lässt sich aus den inzwischen vorliegenden Koalitionsvereinbarungen in Harburg und Altona (Schwarz-Grün) sowie Mitte (Rot-Grün) herauslesen. Am deutlichsten ist die Differenz zu den rot-grünen Liebesheiraten in Nord und Eimsbüttel, deren Verträge einen anderen Geist atmen, was sich besonders auf den Politikfeldern Soziales und Bürgerbeteiligung niedergeschlagen hat. Bisweilen drängen sich lokale Interessen vor die parteipolitischen, etwa wenn Harburg maximal eine neue Ost-West-Trasse durchs Alte Land akzeptieren will und die Ortsumgehung Finkenwerder im Gegensatz zu Mitte ablehnt. Nicht dass das viel nützen würde...

Am klarsten scheint sich der Einfluss der GAL beim Gender Mainstreaming bemerkbar zu machen: Die unterschiedliche Lebenssituation von Männern und Frauen soll demnach bei allen Plänen und Entscheidungen berücksichtigt werden. In Mitte, Eimsbüttel und Nord steht es in den Koalitionsverträgen, in Harburg fehlt das Thema Gleichstellung der Frau ebenso wie das Thema Homosexualität. Altona will am Christopher-Street-Day die Regenbogenfahne raushängen, Frauen-Netzwerke unterstützen und ein „Bündnis für Familien“ schmieden.

Bürgernähe wird in Harburg und Mitte als Stärkung der Bezirkspolitik verstanden. Es gelte „ortsnahe Ansprechpartner für Bürger“ anzubieten, heißt es im Harburger Vertrag und das Bündnis von Mitte wünscht sich eine „Steigerung der Wahrnehmbarkeit der Bezirksversammlung“. Altona will nicht nur mehr Rechte und Pflichten, sondern auch das entsprechende Geld und Personal. Rot-grün in Eimsbüttel dagegen will die Einmischung der Bürger fördern und auch nicht wahlberechtigte BürgerInnen beteiligen. Nord will die Stadtteilbeiräte unterstützen, Bürgerinnen „zu mehr Mitwirkung ermutigen“ und zu anstehenden Entscheidungen Anhörungen veranstalten.

Die Vereinbarung in Nord trägt am deutlichsten bekenntnishafte Züge, etwa in der Sozialpolitik: „Die Koalitionspartnerinnen lehnen eine Stigmatisierung von Menschen in sozialen Notlagen ab“, heißt es da. „Sozialhilfebezug darf nicht unter den Generalverdacht des Missbrauchs gestellt werden.“ Eimsbüttel legt zum Beispiel konkret fest, dass in den ersten drei Monaten die Sozialhilfe nicht verweigert werden soll und Hausbesuche bei Hilfeempfängern in der Regel angekündigt werden müssen. Die Vereinbarungen in Harburg, Altona und Mitte dagegen heben besonders auf Wohnungslose ab. Altona will das Ein-Euro-Programm „mit den erfahrenen Beschäftigungsträgern auf freiwilliger Basis“ verstärken.

Beim Thema Migration hat die GAL in Altona einige Zugeständnisse herausgeschunden. So sollen Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus weiterhin Zuflucht in einem geschützten Raum finden können. Zur Situation von Flüchtlingen ohne Papiere soll eine Anhörung veranstaltet und traumatisierte Flüchtlinge sollen sozialpsychologisch betreut werden. In Harburg und Mitte wird die Notwendigkeit von Sprachkursen für Einwanderer betont, Eimsbüttel hebt das Recht auf Sprachkurse hervor.

In der Drogenpolitik will Schwarz-Grün in Harburg das Abrigado mit seinem Konsumraum erhalten, Altona perspektivisch wieder Konsummöglichkeiten schaffen, jedoch „haushaltsneutral“. Mitte plädiert für Planungssicherheit für die Drogenhilfe-Einrichtungen Ragazza und Café Sperrgebiet. Eimsbüttel will die Drogenhilfe und die Prävention unterstützen. Nord beklagt die Politik des Senats.

Verkehrspolitisch scheint das ehemals hochgejubelte Thema Pollerauf- und -abbau durch zu sein, obgleich es neutral noch vorkommt. Die Altonaer CDU verzichtet auf Tempo 60 auf der B431 und in allen Verträgen ist von neuen Tempo-30-Zonen die Rede. In allen Vereinbarungen sind Verbesserungen des Fahrrad-Verkehrs vorgesehen, wobei es Harburg allerdings bei wenigen Einzelpunkten belässt, während Altona mit einer Aufhebung der Benutzungspflicht für vorschriftswidrige Radwege ins Grundsätzliche geht.