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Archiv-Artikel

Das Erbe des Alten

Wolfgang Steiert soll die deutschen Skispringer zu neuen Höhenflügen führen – möglichst schon beim Sommer-Grand-Prix am Wochenende

von KATHRIN ZEILMANN

Es war nur ein kleiner Schwächeanfall, den Wolfgang Steiert kürzlich bei einem Fußballspiel erlitt. Mittlerweile ist er natürlich wieder fit, was auch gut so ist. Denn Schwächen anderer Art kann sich der neue Bundestrainer der deutschen Skispringer nicht leisten. Er braucht den Erfolg, schon um die Ablösung des langjährigen Cheftrainers Reinhard Heß zu rechtfertigen – und damit seine Position im Skiverband zu festigen. Im April räumte Heß unter eher undurchsichtigen Umständen seinen Stuhl und machte seinem Co-Trainer Platz, begleitet von so manch unschöner Begleitmusik in den Medien. Nun also steht Steiert den deutschen Fliegern vor und soll dafür Sorge tragen, dass möglichst bald schon wieder richtige Überflieger aus ihnen werden – und das möglichst schon bevor der Winter kommt, am besten schon an diesem Wochenende, wenn sich die internationale Skisprung-Elite in Hinterzarten zum Auftakt des FIS-Sommer-Grand-Prix trifft und dort die besten Springer des Sommers gekürt werden.

Eine Art Dauer-Party mit lauter Musik steigt aus diesem Anlass im sonst so beschaulichen Schwarzwaldort, wenn tausende Teenager – wegen der begrenzten Anzahl an Unterkünften nicht selten mit Schlafsäcken im Gepäck, um in Turn- und Tennishallen zu übernachten – die Schanze oder gar den Eingang zur Wohnung des in Hinterzarten lebenden Sven Hannawald bevölkern. Hannawald wohnt in diesen Tagen deshalb lieber im Hotel.

Sportlich gesehen dürfte sich Hannawald weniger Sorgen machen. Im Training sei er weit vor dem Rest der Mannschaft, sagt Steiert, der so wohl berechtigt darauf hoffen kann, dass ihn seine Schützlinge nicht im Stich lassen. Denn auch wenn er die Bedeutung des Sommer-Grand-Prix herunterspielt („Nicht alle, die im Sommer vorne waren, haben auch im Winter gewonnen“) – mittlerweile stehen auch die sommerlichen Wettkämpfe auf Mattenschanzen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Und von den deutschen Skispringern mit ihrem neuen Trainer erwartet man nun einmal gute Resultate.

Dass der Abgang von Heß durchaus mit persönlichen Differenzen zwischen Chef und Assistent zu tun hatte, scheint inzwischen offenkundig: Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Heß, für den der Deutsche Skiverband (DSV) den Posten eines „übergreifenden Cheftrainers“ geschaffen hat, klappe, reagiert Steiert hitzig: „Mir ist niemand übergeordnet. Er ist zwar Cheftrainer, hat aber keinen Einfluss auf den A- und B-Kader.“ Dann aber lässt er doch lieber wieder Vorsicht walten. Die Ära Heß war schließlich, auch wenn die WM in Val die Fiemme im Februar nicht die erhofften Medaillen brachte, sehr erfolgreich, das weiß auch Steiert. Mit dem populären Thüringer so gänzlich offen zu brechen und auch noch anzukündigen, alles besser machen zu wollen, würde ihn stark unter Druck setzen. „Was hier erreicht worden ist, ist sicherlich schwer zu toppen. Deshalb können wir die Ziele für diesen Winter gar nicht mehr höher schrauben. Wir wollen wie immer vorne dabei sein“, sagt Steiert deshalb. Und weiter: „Wir waren mit Reinhard jahrelang ein gutes Team. Deshalb bleibt die Trainingsarbeit im Großen und Ganzen die Gleiche.“

Zu viel Lockerheit, zu viel Spaß und zu viel Action wird es also auch unter Trainer Steiert nicht geben. Der gelernte Spengler, der bisher in der Mannschaft mehr Kumpel, Freizeitgestalter und Medienbeauftragter denn Autoritätsperson war, hat die Rolle des disziplinierten Trainers mit großer Verantwortung für sich entdeckt: „Sicherlich habe ich jetzt eine andere Position als vorher, aber das wird von den Athleten akzeptiert.“

In einer Saison ohne Olympische Spiele und Weltmeisterschaften will er sich Zeit für die aus Expertensicht längst überfällige Integration junger Springer nehmen. „Ich will den Nachwuchs heranführen“, betont Steiert. Auf das erfolgreiche und beim Publikum sehr beliebte Duo Hannawald und Martin Schmitt alleine könne er schließlich nicht setzen. „Im Hinblick auf die WM 2005 und Olympia 2006 brauchen wir eine schlagkräftige Mannschaft.“ Derweil könnte Heß der Öffentlichkeit mitteilen, wie er die Arbeit seines Nachfolgers bewertet. Als Experte für die ARD ist er bereits beim Sommer-Grand-Prix mit von der Partie.