: Eine leichte Blessur am Müll-Monopol
Der Entsorger Landbell AG darf in Hessen dem Dualen System Konkurrenz machen. Der „Neue“ hat aber keine Kunden
FRANKFURT/M. taz ■ „Endlich ist das Monopol des Dualen Systems bei der Abfallentsorgung gebrochen“, jubelten die Freien Demokraten im Hessischen Landtag. Bei der Union war gar von einem „historischen Tag für mehr Wettbewerb auf dem Abfallmarkt“ die Rede.
Und auch die Landtagsfraktion der Grünen begrüßte die „mögliche Konkurrenz für das Duale System Deutschland auf dem Felde der Entsorgungswirtschaft in Hessen“.
Euphorische Reaktionen also überall. Besonders freuen darf sich der hessische Umwelt- und Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel (CDU). Er hatte am Dienstag der Landbell AG die Zulassung als Systemträger für die Erfassung und Verwertung von Verkaufsverpackungen erlaubt – auch zum Wohlwollen der Wettbewerbshüter in Berlin und in Brüssel.
Das Bundeskartellamt jedenfalls mahnte das Duale System Deutschland (DSD) schon im vergangenen Jahr mit einem so genannten Beschuldigungsschreiben ab. Der Monopolist hatte diverse große Müllentsorgungsunternehmen (etwa RWE), ohne deren Logistik auch der alternative Müllverwerter Landbell AG nicht tätig werden kann, zum Boykott des potenziellen Konkurrenten aufgefordert. Den Wettbewerbshütern bei der Europäischen Union (EU) ist das DSD schon lange ein Dorn im Auge. Das System „gelber Sack“, so hieß es schon Ende 2002 in Brüssel unmissverständlich, könne durchaus auch von Konkurrenten des DSD genutzt werden.
Genau das will die Landbell AG ab sofort tun. Kunden gibt es allerdings noch keine, angeblich aber Absichtserklärungen von 29 hessischen Gebietskörperschaften. Das Problem dabei: Die öffentlichen und die privaten Betreiber der Erfassungssysteme „vor Ort“ müssen mit ihren Sammelfahrzeugen mitspielen.
Doch die Landbell AG ist zuversichtlich. Tatsächlich dürfte es wenigstens in den Kommunen und Landkreisen, die über ein eigenes Erfassungssystem und einen eigenen Fuhrpark verfügen, schnell zu einem Vertragsabschluss kommen – wenn sich der Umstieg vom DSD auf die Landbell AG rechnet.
Das ist die Frage. Ihr differenziertes eigenes Sammel- und Entsorgungssystem mit nur einer Tonne für allen Müll und einer späteren Aussortierung von tatsächlich wiederverwertbaren Stoffen (ansonsten kommt alles in die Müllverbrennungsanlage), darf die Landbell AG bei ihrem Feldversuch in Hessen nicht anwenden. Sie muss sich genau nach der Verpackungsverordnung richten, in der das „haushaltsnahe Sammeln und Verwerten“ geregelt ist. Da bleibt kein Raum für Experimente. Es geht also ausschließlich um mehr Wettbewerb und nicht um einen Systemwechsel.
„Für die Bürger ergeben sich keine Veränderungen“, sagt Landwirtschaftsminister Dietzel. Die Landbell AG muss beweisen, dass sie als neuer Systemträger tatsächlich – wie angekündigt – die gleiche Leistung wie das DSD für weniger Geld erbringen kann. Erst dann könnte es wirklich Konkurrenz für das monopolistische DSD geben – und die Gebühren für die Müllentsorgung könnten sinken.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT