: Der ruinierte Sonnenstaat des grauen Technokraten
Kalifornien hat sich übernommen, der demokratische Gouverneur Gray Davis ist extrem unbeliebt. Dass er deshalb auch abgewählt wird, ist jedoch längst noch nicht sicher
WASHINGTON taz ■ Kalifornien erlebt die bizarrste Gouverneurswahl seiner Geschichte. Nachdem eine Initiative zur Absetzung des Amtsinhabers Gray Davis genug Unterschriften sammelte, gibt es im Oktober die erste vorgezogene Neuwahl in den USA seit 82 Jahren.
Hintergrund des Volksbegehrens ist vor allem die Finanzmisere des Westküstenstaates mit 38 Milliarden Dollar Schulden. Anfang des Monats erklärte der Demokrat Davis Kalifornien für zahlungsunfähig. Aufgrund der leeren Kassen erhöhte das Landesparlament die Fahrzeugsteuer und brachte damit das Wahlvolk gegen sich auf. Der Staat sah sich gezwungen, Zahlungen für Schulen und Sozialprogramme einzustellen und Gehälter zu kürzen. Immerhin sammelte Davis einige Pluspunkte, da die Abgeordneten vor wenigen Tagen einen Sparhaushalt verabschiedeten.
Tiefe Haushaltslöcher sind keine kalifornische Besonderheit. Fast alle US-Bundesstaaten leiden unter der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten – das Resultat einer lahmen Wirtschaft und sinkender Steuereinnahmen. Im „Golden State“ wird die Situation jedoch dadurch verschärft, dass der Regierung weitgehend die Hände gebunden sind, neue Steuerquellen zu erschließen. Zudem legte der Staat während des Wirtschaftsbooms langfristige Ausgabenprogramme auf.
Neben der Staatspleite drückt im Hightech-Land und Wirtschaftsmotor der USA die schleppende Konjunktur besonders auf die Stimmung. Viele erinnern sich außerdem noch gut an die Energiekrise vor zwei Jahren, die zu massiven Preissteigerungen führte. Die Popularität des Gouverneurs befindet sich auf einem solchen Tiefpunkt, dass Pornoverleger, Action-Schauspieler und ehemalige Kleinkriminelle zu Hoffnungsträgern geworden sind.
Jenseits des politischen Karnevals hoffen die Republikaner, die seit 1999 regierenden Demokraten im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten US-Bundesstaat abzulösen. Ein Sieg der Opposition ist jedoch fraglich. Der bisherige Frontrunner Darrell Issa, der immerhin die Abwahlinitiative mit einer Million Dollar aus eigener Tasche finanzierte, hat sich zwar durch die Aktion einen Namen gemacht. Der Republikaner könnte jedoch mit seinen rechtskonservativen Ansichten die liberalen Kalifornier verschrecken. Muskelmann Arnold Schwarzenegger, nunmehr klarer Favorit, ist populär, moderat, mit einer Frau aus dem Kennedy-Clan verheiratet und verkörpert alle Eigenschaften, die Amerikaner lieben – vor allem Optimismus. Viele Kalifornier haben zudem den grauen und steifen Technokraten Davis satt. Mit dem Österreicher käme endlich wieder Leben in den fade gewordenen Politikalltag.
Im Weißen Haus ahnt man jedoch, dass die Republikaner am Ende sogar als Verlierer dastehen könnten. Präsident Bush verhält sich auffallend neutral. Für Davis gilt: Totgesagte leben länger. Bereits nach der Energiekrise hatte man ihn abgeschrieben. Der Stehaufmann wurde jedoch vor sieben Monaten erneut im Amt bestätigt. MICHAEL STRECK