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Archiv-Artikel

Not der Bauern ist jetzt amtlich

Laut dem Statistischen Bundesamt gibt es bereits beim Wintergetreide 11,5 Prozent Ernteausfall. Dabei ist das Minus geografisch äußerst ungleich verteilt – am meisten Pech hatten die Brandenburger. Bund und Länder wollen Hilfen beraten

aus Berlin NICK REIMER

Jetzt ist es bestätigt: Die Dürre des Jahres 2003 wird Deutschlands Bauern eine katastrophale Getreideernte bescheren. Nach den gestern veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden liegt die Ernte mit bundesweit 35,1 Millionen Tonnen gut 11,5 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Und auch diese Vorjahresernte war schon eine ausgesprochen schlechte – damals hatte es zu viel geregnet.

„Grundlage der Erhebung sind die Juni-Daten, die die Quote des Wintergetreides widerspiegeln“, sagt Peter Gurrath, zuständiger Referent beim Bundesamt. Für den schlechten Ertrag seien vor allem die Spätfröste im Frühjahr verantwortlich. Zu wenig Regen spiele beim Wintergetreide noch nicht die gleiche gravierende Rolle wie beim Sommergetreide. Gurrath: „Das wahre Ausmaß der Dürre werden wir erst durch die Juli- und August-Erhebung erfahren.“ Ein weiterer, wenn auch nachgeordneter Grund für den Rückgang sei, dass in diesem Jahr auf 2,3 Prozent weniger Fläche angebaut wurde.

Die Erhebungen des Bundesamtes zeigen regional sehr große Unterschiede. So ist die Ernte in Schleswig-Holstein dieses Jahr eher gut: Rund 2,7 Millionen Tonnen bedeuten 5 Prozent mehr als im Mittel aus den Ernten der letzten sechs Jahre. In Brandenburg dagegen fahren die Bauern fast 40 Prozent weniger ein als im Sechsjahresmittel. Dabei ist dieser agrartypische Durchschnittswert etwa durch die Oderflut 1997 oder die Dürre 2000 und insgesamt drei miserable Ernten ohnehin schon niedrig.

„Aus dem Süden und Osten sind Ernteausfälle bis zu 80 Prozent gemeldet worden“, sagte Wolfgang Scherfke, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes. Ebenfalls heftig getroffen hat es die Landwirte in Bayern und Baden-Württemberg sowie in den neuen Bundesländer – wenn auch nicht in Brandenburger Dimensionen. Bauern in Sachsen und Bayern werden Einbußen von knapp 30 und 25 Prozent hinnehmen müssen. Deutliche Einbrüche wird es auch in Thüringen (minus 21,7 Prozent), Baden-Württemberg (minus 19 Prozent), Sachsen-Anhalt (minus 16 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (minus 12 Prozent) geben.

Der Deutsche Bauernverband spricht von einem wirtschaftlichen Schaden von 1 Milliarde Euro. Bereits Ende Juli hatte er ein Notprogramm von Bund und Ländern gefordert. Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) wollte aber zunächst die offiziellen Zahlen abwarten. „Wir werden in der nächsten Woche eine Bund-Länder-Expertengruppe einberufen, um über notwendige und mögliche Hilfen zu beraten“, sagte Staatssekretär Alexander Müller der taz. Wichtig sei, die Hilfen stark auf die regional sehr unterschiedliche Situation auszurichten. „Wir begrüßen das sehr“, erklärte Bauernverbandssprecherin Anni Neu. „Die Landwirte müssen bald für die Aussaat im Herbst in Vorkasse treten, und das ist für viele bei Einnahmeausfällen in dieser Größenordnung ein Riesenproblem.“

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