marcel broodthaers’ fotografisches werk

In einem Artikel über den Kollegen Julien Coulommier beschreibt Marcel Broodthaers die Fotografie als „die Schrift“ des Lichts. Damit brachte der heute vornehmlich als bildender Künstler bekannte Broodthaers den Stellenwert des Lichtbilds in seinem eigenen Werk brillant auf den Punkt. Denn bis in die 50er-Jahre hatte er sich vor allem als Dichter einen Namen gemacht, um sich dann nach dem Wort, mit der Lichtschrift der Voigtländer-Kamera, auch das Bild zu erobern.

Zunächst trat der von August Sander und Edward Steichen faszinierte Belgier flämischer Herkunft als Reporter auf. Zahlreiche Artikel in Zeitungen und Magazinen illustrierte er mit eigenen Fotografien. Doch schon Anfang der 60er begann er seine Fotos zu verfremden, was er nach seinem offiziellen Wechsel zum bildenden Künstler 1964 in Collagen und Installationen fortsetzte. Angeregt von Marcel Duchamp und René Magritte ließ er sich in seinem künstlerischen Schaffen stilistisch nie festlegen und bediente sich der Elemente von Surrealismus und Dadaismus ebenso wie der von Pop-Art, Minimal- oder Concept-Art. „Sein poetisches und sein bildnerisches Werk ist ein unendliches Gespräch mit offenem Ende“, bemerkt der Kunstkritiker Karl Ruhrberg.

Marcel Broodthaers, am 28. Januar 1924 geboren und an seinem Geburtstag, im Alter von nur 52 Jahren, in Köln gestorben, ist bis heute so sperrig zu fassen, wie sein Name für die meisten unaussprechlich scheint. Doch nun hat die Stiftung Kultur Köln zusammen mit Maria Gilissen, der Frau des Künstlers, den beachtlichen Versuch unternommen, in rund 300 Schwarzweißfotografien – darunter private Bilder, Schnappschüsse und künstlerische Arbeiten, gepaart mit Zeitungsartikeln, Gedichten und Texten – die wesentliche Rolle der Fotografie in seinem Werk aufzuzeigen.

Gleich beim Eingang ist eine große Serie den baulichen Vorbereitungen der Expo 1957 in Brüssel gewidmet. In der Manier Günter Wallraffs hatte sich Broodthaers als Hilfsarbeiter anstellen lassen, um so die intimen Situationen aus dem Arbeitsalltag fotografieren zu können. Deutlich wird aber auch seine Faszination an den ästhetischen Details des Atomiums. In einem dazwischen geschobenen Bild seiner Tochter mit Weltkugel wird Broodthaers’ ironisch-spöttisches Assoziationsvermögen deutlich. Als „Poet auf Reisen“ bannte er seine Eindrücke über Paris, die Niederlande und London in Wort und Bild. Die Kamera nutzte er als Notizblock. Bestechend sind seine Künstlerporträts etwa von René Magritte und David Oistrach. An der Arbeit mit der Fotografie interessierten Broodthaers vor allem die Möglichkeiten ihrer Reproduzierbarkeit, die etwa in Verfremdung und Montage ein ständiges Hinterfragen der Wirklichkeit ermöglichte.  ANNE KOTZAN

Bis 14. September; „Marcel Broodthaers – Texte et Photos“, hrsg. von Maria Gilissen und Susanne Lange, Steidl Verlag, Göttingen 2003, 68,00 €