piwik no script img

Archiv-Artikel

Die USA setzen RWE unter Druck

Weil der Essener Stromriese Öl- und Gasvorkommen in Libyen erschließen will, droht ihm ein Konflikt mit den USA. Für seine Amerika-Geschäfte sind das keine guten Aussichten. Dabei machen auch US-Firmen Geld im „Schurkenstaat“ – über Umwege

aus Köln PASCAL BEUCKER

Harald Graeser ist um Gelassenheit bemüht. „Wir fühlen uns nicht bedrängt“, sagt der Leiter der Unternehmenskommunikation von RWE Dea. „Ja“, es habe eine Anfrage der US-Administration gegeben. „Aber ich sehe keine Gefahr für das Projekt – wir kennen die rechtlichen Grundlagen“, so Graeser zur taz. Das Projekt des Öl- und Gas-Förder-Tochterunternehmens des Essener RWE-Konzerns: die Erforschung von Öl- und Gasvorkommen in Libyen. RWE hofft auf ein profitables Geschäft – wenn die USA nicht noch einen Strich durch die Rechnung machen.

Für die Bush-Regierung ist der nordafrikanische Wüsten- ein „Schurkenstaat“. Und Geschäfte wie das von RWE Dea im Reich Muammar al-Gaddafis missfallen ihr. Als Drohinstrument dient der „Iran Libyia Sanctions Act“ (Ilsa). Nach dem Gesetz von 1996 kann die US-Regierung gegen ausländische Firmen vorgehen, die mehr als 20 Millionen Dollar in den Energiesektor eines der beiden Länder investieren. Kreditsperren durch US-Banken oder der Ausschluss von öffentlichen Projekten drohen.

Mitte der Woche bestätigte der Vizesprecher des US-Außenministeriums, Philip Reeker, Washington prüfe derzeit, ob der RWE-Dea-Deal den gegen Tripolis verhängten Sanktionen zuwiderlaufe. Mit dem Unternehmen und der Bundesregierung habe man bereits gesprochen. Für RWE ist das unangenehm, denn der zweitgrößte deutsche Energieversorger betreibt über seine Tochter Thames Water das US-Unternehmen American Water Works, den größten privatwirtschaftlichen Wasserversorger der Vereinigten Staaten. Das vor zwei Jahren für 8 Milliarden Dollar übernommene Unternehmen ist von Regierungsprojekten stark abhängig.

Die in Hamburg ansässige RWE Dea unterzeichnete am 29. Mai dieses Jahres einen Vertrag mit dem libyschen Staatskonzern National Oil Corporation (NOC), in dem die gemeinsame Suche und Förderung von Öl und Gas auf mehr als 30.000 Quadratkilometern vereinbart wurde. Laut RWE Dea umfasst das Arbeitsprogramm aus Seismik und Explorationsbohrungen rund 56 Millionen US-Dollar – über einen Zeitraum von fünf Jahren. Entsprechend sei der US-Administration mitgeteilt worden, dass die jährlichen Investitionen deutlich unter der heiklen 20-Millionen-Dollar-Grenze lägen. Zudem berührten die RWE zugeteilten Lizenzen keine bestehenden Rechte von US-Firmen. „Ich denke, das ist inzwischen auch verstanden worden“, so Graeser. Alle gültigen nationalen und internationalen Abkommen würden eingehalten.

Zu denen zählt der Ilsa allerdings nicht: Die EU lehnt Sanktionen mit exterritorialer Wirkung ab, streitet seit 1995 über entsprechende US-Gesetze. Damals war das Helms-Burton-Gesetz verabschiedet worden, das die Nutzung in Kuba enteigneten US-Besitzes bestraft. Eine Klage der EU gegen den Ilsa vor der Welthandelsorganisation wurde aber ausgesetzt, da die USA die Sanktionen bisher nicht angewandt hätten. Den Ilsa setzen sie aber immer wieder als Druckmittel ein. Als Joschka Fischer im Mai 2001 Washington besuchte, warnte ihn der damalige republikanische Mehrheitsführer Jesse Helms vor Sanktionen gegen die Wintershall AG, falls die Kasseler BASF-Tochter Anteile an einem libyschen Ölfeld erwerbe.

Dabei nutzen auch US-Unternehmen das EU-Schlupfloch, um sich durch die Sanktionspolitik der eigenen Regierung nicht vom Geldverdienen abbringen zu lassen. Ein Beispiel ist die ehemalige Firma des US-Vizepräsidenten Richard Cheney, der Ölfeldausrüster Halliburton. In Libyen macht er Geschäfte über seine deutsche Tochter, die Halliburton Company Germany.