Nato wird Isaf-Chef

Verteidigungsminister Struck zur Übergabe der Isaf-Führung in Kabul. Ausweitung des Mandats wahrscheinlich. Taliban dehnen Angriffe aus

BERLIN dpa ■ Verteidigungsminister Peter Struck reist heute nach Kabul, um die deutsche und niederländische Führung der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) an die Nato zu übergeben.

Im Vorfeld des Besuchs hat eine neue Welle der Gewalt mehrere Provinzen des Landes erschüttert. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt wurden massiv erhöht. Bei dem Besuch des Ministers in Kabul vor sechs Monaten zur Kommandoübernahme durch Deutschland und die Niederlande war das Bundeswehrcamp mit Raketen angegriffen worden. Struck musste damals in einen Bunker in Sicherheit gebracht werden.

Nach der Übergabe der Führung über die Isaf-Truppen liegt die politische Führung jetzt in den Händen der 19 Nato-Mitglieder, vertreten im Nordatlantikrat, wo Entscheidungen nur einstimmig fallen. Dieser müsste zum Beispiel zustimmen, wenn das Verantwortungsgebiet der Isaf über Kabul hinaus vergrößert werden sollte. Genau dieses stellt Struck in Aussicht. Am Sonntag verdichteten sich die Anzeichen, dass deutsche Soldaten nicht nur wie bisher in die Hauptstadt Kabul, sondern auch in das 200 Kilometer entfernte Kundus entsandt werden, um dort die Lage zu stabilisieren. Darüber will Struck in Kabul mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sprechen. Weder das zuerst genannte Herat noch das zeitweise von ihm selbst favorisierte Charikar würden noch in Erwägung gezogen, erklärte Struck.

Mit der Ausweitung des Einsatzes müsste der Bundestag befasst werden. Bei den Grünen und der Union gab es Bedenken. Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele sagte der Neuen Presse in Hannover: „Man vermischt immer mehr den Antiterroreinsatz mit dem Isaf-Einsatz.“ Dadurch würden die deutschen Soldaten immer mehr zur Kriegspartei.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Christian Schmidt (CSU), sagte, über die Ausdehnung des Einsatzes könne man diskutieren. Nur müsse auch vorher der Versuch unternommen werden, den Einfluss der Zentralregierung in Kabul auf die Regionen politisch zu stärken. Diese Ansicht vertritt auch der Bundeswehrverband.

Bei der jüngsten Angriffserie in den Provinzen wurden fünf Polizisten und ein einheimischer Mitarbeiter einer US-Hilfsorganisation getötet, als sie von mutmaßlichen Kämpfern der radikalislamischen Taliban mit Granaten und Maschinengewehren beschossen wurden. Zwei Fahrzeuge von Minenräumungsorganisationen wurden unabhängig voneinander mit Raketen und Maschinengewehren angegriffen. Verletzt wurde niemand. Bei einem weiteren Vorfall fesselten und verprügelten unbekannte Täter zehn afghanische Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Sie steckten außerdem deren Fahrzeuge in Brand.

Die Taliban-Kämpfer wollen ihre Angriffe auf die afghanische Regierung und westliche Organisationen auf den Norden Afghanistans ausdehnen. In der Provinz Farjab sei bereits eine Zelle aktiv, zitierte die Zeitung News gestern zwei Taliban-Vertreter.