: Hartz macht Hauptstadt arm
Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) warnt: „Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bedeutet massive Kaufkraftverluste.“ Größenordnung: Bis zu 300 Millionen Euro
von ROBIN ALEXANDER
Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) befürchtet für Berlin „massive Kaufkraftverluste“, sollten die Hartz-Reformen wie geplant umgesetzt werden. Die Wirtschaftsverwaltung prognostiziert Kaufkraftverluste „in der Größenordnung von 300 Millionen Euro“, so ein Sprecher. Wolf warnt: „Die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf niedrigem Niveau trifft besonders strukturschwache Regionen.“ Dazu gehört Berlin.
Hier wurden im Juli 116.994 Langzeitarbeitslose gezählt, das entspricht einem Anteil von 37,7 Prozent. Langzeitarbeitslos ist in dieser Statistik, wer länger als ein Jahr keinen Job hat. Diese Menschen wären von Hartz III und Hartz IV besonders betroffen, sehen die Gesetze doch die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate vor. Wolf rügte die Politik von Bundeskanzler Schröder: Dieser wolle mit der Steuerreform die Nachfrage beleben, schwäche sie jedoch gleichzeitig, indem er bei den Langzeitarbeitslosen Geld spare, das direkt sonst in den Konsum ginge. Am Mittwoch entscheidet das Bundeskabinett über die Umsetzung der dritten und vierten Stufe der nach dem VW-Arbeitsdirektor und Kommissionsvorsitzenden benannten Gesetze.
Gemeinsam mit dem neuen PDS-Parteivorsitzenden Lothar Bisky und dem Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern Helmut Holter (PDS) kritisierte Wolf gestern die Pläne der Bundesregierung. „Die Arbeitslosen werden zu Dummies einer Try-and-Error-Politik gemacht“, schimpfte Bisky und warf der Bundesregierung „Asozialität in erschreckendem Maße“ vor.
Schon der Ansatz von Hartz – die Konzentration auf die Vermittlung von Arbeitslosen – behagt der PDS nicht. Im Osten kämen im Durchschnitt 25 Arbeitslose auf eine offene Stelle. In strukturschwachen Regionen sei das Verhältnis gar 40 zu 1. Bisky: „Erst wenn das Verhältnis bei 5:1 liegt, wird die Debatte über Zumutbarkeitskriterien legitim.“
Wolf kritisierte weiter, die Reform der Bundesanstalt für Arbeit erfolge „nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten“. Zudem bliebe die wichtige mittlere Ebene der Landesarbeitsämter unberücksichtigt. Die neue Politik, nur noch Maßnahmen zu fördern, die eine gewisse Erfolgsquote bei der Vermittlung aufwiesen, habe „paradoxe“ Auswirkungen: „Gebiete, wo die Probleme eher gering sind, werden noch gestärkt. Die eher schwachen Gebiete wie Berlin müssen hingegen immer wieder um Ausnahmegenehmigungen kämpfen.“
Wolf und sein Kollege Holter wollen versuchen, eine gemeinsame Linie mit allen ostdeutschen Arbeitsministern für die Verhandlungen über Hartz im Bundesrat zu finden. Wolf: „Neben A- und B-Ländern gibt es einen dritten Faktor im Bundesrat: die ostdeutschen Länder.“
Wie die C-Länder – die mit rot-roten Koalitionen – sich im absehbaren Vermittlungsverfahren zu Hartz verhalten werden, steht laut Wolf und Holter noch nicht fest. Noch habe es keine Klärungen mit der SPD gegeben. Eile ist nicht geboten: Angesichts der CDU-Mehrheit im Bundesrat sind die rot-roten Stimmen irrelevant.