: Schills treuer Staatsrat in Bedrängnis
Walter Wellinghausen muss sich vor dem Hamburger Innenausschuss gleich wegen mehrerer Affären rechtfertigen
Der Mann ist das Scharnier des Hamburger Rechtssenats. Ohne Walter Wellinghausen würde zumindest in der Innenbehörde des Ronald Schill das nackte Chaos herrschen. Wellinghausen ist als Staatsrat derjenige, der seinem Senator die ungeliebte Aktenarbeit abnimmt und die Behörde organisiert, er ist die Triebfeder in Sachen Innerer Sicherheit, Abschiebung und Überwachung.
Wenn der 60-Jährige nicht so wichtig für Schwarz-Schill wäre, wäre er auch längst nicht mehr im Amt. Denn fast täglich graben die Hamburger Medien neue Affären, Kungeleien und Ungereimtheiten in Sachen Wellinghausen aus. Gestern Abend kamen die Mitglieder des Innenausschusses zu einer Sondersitzung aus dem Urlaub zusammen, um sich über Stunden mit dem Affärenregister des Staatsrats zu befassen.
Walter Wellinghausen ist eine schillernde Figur. Der Anwalt war jahrelang SPD-Mitglied, seine Parteikarriere bei den Sozialdemokraten ging über Bezirksebene allerdings nicht hinaus. In die Schlagzeilen kam er mit seinem bürgerlichen Beruf. Er verteidigte viele Beamte, die sich im Gefolge des Hamburger Polizeiskandals wegen Körperverletzung und Amtsmissbrauch verantworten mussten. Zu seinen Klienten zählten auch immer wieder Personen aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität. Vor Jahren wurde Wellinghausen Opfer eines Anschlags: Ihm wurde ins Knie geschossen – was landläufig als Instrument der Mafia gilt, Leute mit dieser letzten Warnung gefügig zu machen. Die Hintergründe der Tat wurden nie aufgeklärt.
Ins Rampenlicht trat Wellinghausen als Verteidiger des Amtsrichters Ronald Schill, der vor drei Jahren – schon mitten im Wahlkampf – wegen Nötigung vor Gericht erscheinen musste. Wellinghausen setzte in zweiter Instanz einen zweifelhaften Freispruch durch. Nach dem Wahlsieg machte Schill den SPD-Mann, der das Parteibuch inzwischen zurückgegeben hat, zu seiner rechten Hand in der Behörde. Der wiederum zeigte sich erkenntlich, als er in Schills Koksaffäre voriges Jahr das Münchener Institut ausfindig machte, das den Innensenator per Haarprobe entlastete.
Schill und Wellinghausen brauchen sich gegenseitig, und deswegen hat der Innensenator bereits intern mit Bruch der Koalition gedroht, wenn ihm sein treuer Staatsrat „weggeschossen“ werde. Doch die Vorwürfe gegen Wellinghausen sind erdrückend. So hat er, obwohl schon im politischen Amt, über Monate noch monatliche Anwaltshonorare in Höhe von 4.600 Euro von einer Hamburger Radiologenpraxis kassiert. Als Vorstand einer Aktiengesellschaft in München soll er ebenfalls nebenbei kräftig verdient haben.
Außerdem wirft die SPD-Opposition dem Staatsrat vor, interne Akten zu einer Durchsuchung in der Hamburger SPD-Zentrale an die Presse lanciert zu haben. Neueste Vorwürfe betreffen einen Polizeibeamten, den Wellinghausen früher verteidigt hatte. Dieser Beamte sollte nach mehreren Eskapaden aus dem Dienst entfernt werden. Auf Intervention des Staatsrats ist diese Entlassung nun rückgängig gemacht worden.
Wochenlang war der Staatsrat im USA-Urlaub abgetaucht, angeblich selbst für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nicht zu erreichen. Gestern Abend nahm er, vermeintlich gut erholt, erstmals zu dem Vorwurfspaket Stellung. PETER AHRENS