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Archiv-Artikel

Kurzer Prozess mit Revolutionärer Zelle

Gestern verurteilte das Berliner Kammergericht Lothar Ebke wegen eines Anschlags zu zwei Jahren auf Bewährung

BERLIN taz ■ Alles klappte wie abgesprochen. Gestern verurteilte das Berliner Kammergericht nach nur vier Verhandlungstagen Lothar Ebke wegen seiner Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag der Revolutionären Zellen (RZ) auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in Berlin 1987 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.

Außerdem legte das Gericht dem fünzigjährigen ehemaligen Hausmeister keine Auflagen für die dreijährige Bewährungszeit auf. So steht dem Ex-Berliner von Seiten der deutschen Behörden für eine Rückkehr in seine Wahlheimat im kanadischen Yellowknife nichts im Wege. Alle anderen Anklagepunkte wie die Mitgliedschaft in den RZ oder seine Beteiligung an den Knieschuss-Attentaten auf den Leiter der Berliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg 1986 und den Vorsitzenden Richter des Asylsenats am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher 1987 ließ das Gericht zum Teil wegen Verjährung fallen. Das Fallenlassen dieser Anklagepunkte hatte das Gericht Ebke im Vorfeld angeboten. Bedingung: Er musste zugeben, diese ihm vorgeworfenen Taten begangen zu haben.

Bereits am ersten Prozesstag berichtete das Gericht von zwei Treffen mit der Bundesanwaltschaft (BAW) und den Verteidigern „mit dem Ziel einer Verfahrensvereinfachung“. Erst im März dieses Jahres ging der Prozess gegen fünf weitere Personen, denen ebenfalls aufgrund der Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli die Mitgliedschaft in den RZ vorgeworfen wurde, nach über dreijähriger Verfahrensdauer und 174 Verhandlungstagen zu Ende. Trotz einer sehr wackligen Beweislage wurden Urteile zwischen zweieinhalb und über vier Jahren Haft gefällt. Ebke stand nun allein vor Gericht, weil er erst im Herbst letzten Jahres von Kanada an die BRD ausgeliefert worden war.

So machte man in einer recht gelösten Atmosphäre kurzen Prozess. Die BAW musste ihren Kronzeugen Mousli nicht noch einmal dem Zwang aussetzen, mit einer Aussage gegen seinen ehemals „besten Freund“ seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen. Und für Christoph Kliesing, Ebkes Verteidiger, lohnte „es sich nicht, noch mal zwei Jahre darum zu prozessieren, ob die Aussagen von Mousli zu zwei oder zu einem Drittel gelogen sind“.

In seiner Einlassung bekannte sich Ebke zur Mitgliedschaft in den Berliner RZ, die für ihn damals „eine fundierte politische Analyse mit einer sorgfältigen Auswahl der Ziele und einer angemessenen Dosierung ihrer militanten Aktionen“ verbanden. Ausführlich schilderte Ebke seine eigene Beteilung an dem Anschlag auf die ZSA, allerdings stellte er viele Einzelheiten deutlich anders dar als der Kronzeuge Mousli. Seine Erklärung beendete er mit der Hoffnung, „so bald wie möglich nach Kanada zurückkehren zu können“.

CHRISTOPH VILLINGER