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Archiv-Artikel

„Ausgesprochen dumm“

Wegen Geldsorgen, familiärer und beruflicher Probleme kam ein Mann auf die Idee, Kraft Foods zu erpressen. Dafür wurde er zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt

Von fis

Bremen taz ■ Als „total bescheuerte Idee“ bezeichnete der Angeklagte Gordon W. seinen Versuch, das Bremer Lebensmittel-Großunternehmen Kraft Foods um 2,6 Millionen Euro zu erleichtern. Schulterzucken, ratloses Grinsen, Kopfschütteln. Bei dem Erpressungsbriefschreiber wie bei Richterin Cornelia Holsten. Ihr wäre so eine Aktion ganz offensichtlich nicht „einfach in den Sinn gekommen“.

Weil die versuchte Straftat so amateurhaft ausgeführt wurde, kam W. gestern vor dem Amtsgericht mit einer 18-monatigen Haftstrafe davon, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der 34-Jährige war zur Tatzeit arg in der Bedrouille. Seine Frau hatte mit dem gemeinsamen Sohn die eheliche Wohnung verlassen, Schulden in Höhe von 10.000 Euro galt es zu begleichen, Strom und Telefon waren abgestellt worden. Seinen Beruf als Koch konnte er nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr ausüben. Die Umschulung zum Fahrlehrer brach er ab. „Alles so sinnlos“, will Gordon W. damals gedacht haben. Obwohl er schon eine neue Freundin und Muttern die Stromrechnung bezahlt hatte. Ob der Erpressungsversuch nun als „Hilfeschrei“ (Anwalt) oder „ausgesprochen dumm“ (Richterin) einzuschätzen ist? Jedenfalls hat es in W.s Kopf „einfach gerattert“ (Angeklagter).

Er erblickte im Supermarkt eine Ketchupflasche von Kraft Foods und schrieb der Geschäftsleitung, sie solle 2,6 Millionen Euro in Hannovers Grahnstraße – er selbst wohnt schräg gegenüber – abstellen. Ansonsten würden Waren des Unternehmens „vergiftet“: „Und wir werden Sie und Ihre Familien drankriegen!!!“ Im Falle einer erfolgreichen Geldübergabe wollte W. eine Million Euro zurücküberweisen. Doch die Sache ging schief: Obwohl dem Angeklagten klar war, dass das Geldüberbringerauto von der Polizei war, verfolgte er es, war fortan den Ermittlern bekannt – und schrieb trotzdem eine neuerliche „Wahnung“. Am 5. März 2004 wurde er beim Versuch, das abgestellte Geld abzutransportieren, festgenommen.

Weil W. weder einen Plan noch Substanzen besaß, um Kraft Foods-Produkte vergiften zu können, wurde die Tat als „nicht gefährlich“ eingestuft. Auch sei weder der Firma noch der Allgemeinheit ein Schaden entstanden. Nur der Staatskasse. Bis zu 40 Beamte jagten fast eine Woche lang den Erpresser. fis