: „Wenn Sie ruhig sind, kriegen Sie Geld“
Katrin Rabus hat sich jahrelang mit der Initiative „Anstoß“ in die öffentliche Kulturdiskussion eingemischt. Am kommenden Mittwoch wird sie aus Anlass ihres 65. Geburtstags mit einem Senatsempfang für ihr Engagement geehrt. Im taz-Interview erklärt sie, warum sie inzwischen schweigt
Interview Klaus Wolschner
taz: Es ist so ruhig geworden um Katrin Rabus.
Katrin Rabus: Ja, ich bin ruhig. Ich habe kein Mandat mehr.
Aber Sie sind Staatsbürgerin!
Das ist ein Begriff, den ich ungern in den Mund nehme, ebenso wie Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement. Unabhängige Positionen sind nicht wirklich erwünscht.
Im liberalen Bremen?
Ja, im liberalen Bremen. Ich freue mich natürlich über diese Ehrung.
Vor fünf Jahren waren sie das kulturpolitische „enfant terrible“, da hätten Sie diese Ehrung nicht erhalten.
Genau. Und da hätte ich sie gern gehabt, 2003 auf dem Höhepunkt der Diskussion um die Kulturhauptstadt. Wir hatten den Spieß umgedreht: Kultur war nicht mehr das Überflüssige, das, wo man sparen konnte, sondern war salonfähig, war politikfähig geworden in Bremen. Der Neujahrsempfang unserer Initiative „Anstoß“ war eine feste Einrichtung, man ging hin, auch wenn man wusste: Da gibt es keine netten Worte. Alle sind gekommen, 200 Leute und mehr aus Politik und Kultur. Wir wollten öffentliche Debatten über Kultur. Klaus Pierwoß ein mutiger Partner, viele andere auch. Es gab ein gutes Gesprächsklima. Und dann kam der Trubel um die Kulturhauptstadt.
Immerhin hing da ein Sack Geld an der Decke, für den man sich strecken konnte.
Soviel war es auch nicht, aber es war Geld. Jeder konnte Anträge stellen. Eine offene, kritische Diskussion, was Kulturhauptstadt für Bremen bedeuten könnte, war nicht erwünscht. Alle wollten Geld. Hartmut Perschau, damals Kultursenator, sagte in aller Offenheit den Satz: „Wenn Sie ruhig sind, kriegen Sie Geld.“ Ich habe das damals mitgeschrieben. Das Prinzip war einfach: Bei allen wurden die Fördersätze gekürzt, und das eingesparte Geld wurde für Projekte wieder zurückgegeben – an die, die ruhig waren.
Das war das Ende der Initiative „Anstoß“?
Die Initiative „Anstoß“ wurde herausgehalten, das hat mich empört. Ihre Arbeit hatte den Boden für die Bewerbung bereitet, sie war in breiten Kreisen akzeptiert. Sie hätte den Prozess der Bewerbung unabhängig von den Geldsorgen der Einrichtungen begleiten können. Als die Bewerbung scheiterte, war ich erleichtert. Das hätte uns eine Vernichtung des ganzen Pilzgeflechts, das wir in Bremen haben, gebracht. Wie Sonnenblumen sich nach der Sonne richten, hätten sich alle nach dem Geld der Kulturhauptstadt gerichtet.
Martin Heller, der Intendant der Kulturhauptstadt-Bewerbung, hat doch das schöne Wort von den „Brutstätten“ benutzt.
Aber die wollte er nicht wirklich, das ist Gerede wie das der Politiker von Zivilgesellschaft. Er war Auftragnehmer des Senats. Die Kulturszene wurde zum Objekt der Politik.
Wenn es „Anstoß“ heute noch gäbe – was würden Sie tun?
Heute müsste man nicht die Kulturpolitik kritisieren – im Gegenteil. Sie wird von allen Seiten zu recht gelobt. Heute müsste man den Paradigmenwechsel großer Einrichtungen diskutieren, den Einfluss des Marketing auf die Kultur, vor allem beim Theater.
Das Theater war damals Ihr stärkster Partner.
Das Trauerspiel des neuen Intendanten fing damit an, dass er zum Amtsantritt die Kürzungen akzeptiert hat. Er hat gesagt, ich kann sehr gutes Theater machen mit weniger Geld. Er kann es nicht.
Jetzt gibt es die große Medienpartnerschaft mit dem Weser Kurier – aber nicht für das Theater, sondern für Marie Antoinette im Musical-Theater. Mit großer Countdown-Werbung und VIP-Shuttle per Porsche.
Das ist ja nicht nur Marie Antoinette, wo er österreichische Prinzen vorzeigt, er blendet auch in seinem Kulturforum die Prominenz gern mal mit einer königlichen Hoheit. Das ist Repräsentationskultur. Der neue Intendant macht Hinterzimmer-Politik und vergewissert sich dafür bestimmter Unterstützungen – aber nicht mit den Mitteln des Theaters. Wenn Klaus Pierwoß mit dem Fahrrad ins Weser-Stadion fuhr oder andere Mätzchen gemacht hat, dann hat er das als Werbung für das Theater gemacht. Während Hans-Joachim Frey sich mit staatlicher Absicherung für ein kommerzielles Kulturgeschäft engagiert, das Aufgabe von privaten Veranstaltern ist. Darunter leidet das Theater. Dem genuinen Auftrag des Theaters widmet er sich nicht, Frey dünnt das Theater aus.
Frey ist ein Mann der Oper, das war bekannt.
Auch da müssen Sie genauer hinschauen. Bei der Premiere werden die Opern mit bester Besetzung präsentiert, da kommen die Ehrengäste mit ihren Freikarten, die Presse kommt – und bei den weiteren Aufführungen für das Bremer Publikum kommen dann B-Besetzungen. Da wird gespart. Mit dem Prinzip der Honorar-Aushilfen können Sie jedes Ensemble kaputt machen. Mitglieder eines festen Ensembles können etwas wagen, können aus sich herausgehen. Der Verlust des Ensemble-Gedankens wirkt sich schnell bei der Qualität des Theaters aus.
Da protestiert niemand?
Wer sollte sich trauen? Die Politik sagt immer, die Bürger sollen sich engagieren, aber wenn sie sich wirklich einmischen wollen, ist das nicht erwünscht. Mit 65 kann man sich nicht an die Spitze von Protestbewegungen stellen. Wenn es keine gibt, dann gibt es eben keine. „Zivilgesellschaft“, das klingt gut, aber die Politik möchte doch gern die Kontrolle behalten. Wenn nur die Hungerleider in der Kultur sich zusammentun, haben sie keine Macht. Da müssten die Großen wie das Theater oder die Kunsthalle mitziehen, das war in der „Anstoß“-Initiative für einige Jahre der Fall. Wenn die Leitinstitute ausfallen, dann können Sie das vergessen.
Sie wollten vor einem Jahr wieder in den Rundfunkrat.
Sehr gerne.
Man wollte Sie nicht.
Die Kulturszene ist nun nicht mehr vertreten. So wie die Politik den Rundfunkrat demontiert, ist das ein Rückfall in die Fünzigerjahre. Engagierte Leute mit eigenen Vorstellungen über Radio sind da nicht gewünscht. Man muss außerhalb der Gremien etwas Neues erfinden, nach dem Modell von „Anstoß“.