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Archiv-Artikel

Lernen im Seniorenheim

In Essen besuchen Jugendliche im Rahmen des Schulunterrichts Bewohner eines Seniorenheims

ESSEN taz ■ Wenn Montag Mittags um Viertel vor zwei die neun Jungen der Klasse sieben der Elsa-Brandström-Realschule in das Seniorenheim Adolphinum in Essen-Bergerhausen kommen, dann wird es laut im eher beschaulichen Heim. Mit neun Bewohnerinnen des Adolphinums nehmen die Jugendlichen an einem Pilotprojekt zum Thema „Soziales Lernen“ teil, das von der Uni Erfurt entwickelt und von der Freudenberg-Stiftung ins Leben gerufen wurde.

Ziel des Projekts ist es, die sozialen und gesellschaftlichen Kompetenzen der Jugendlichen zu stärken. Die Idee, an der elf Schulen im gesamten Bundesgebiet teilnehmen, wurde deshalb als verpflichtendes Unterrichtsfach in das Curriculum integriert. „Das Fach ist für alle Schüler der siebten Klassen an unserer Schule obligatorisch. Die Jugendlichen wählen, ob sie ein Jahr lang in einen Kindergarten, ein Altenheim oder eine andere soziale Einrichtung gehen wollen,“ sagt Martina Przybilla, Lehrerin der Elsa-Brandström-Schule. Die gemeinnützige Arbeit wird in einer dafür bereitgestellten Unterrichtsstunde in der Klasse aufgearbeitet.

Die Lehrerin betont die Bedeutung des Projekts innerhalb des Unterrichts und verweist auf die ersten Erfolge: „Die Schüler müssen ihr Handeln und ihre Einstellung überdenken und eigene Schwächen erkennen. Außerdem lernen sie, welche Schwierigkeiten mit dem Altwerden verbunden sind.“ Die Leiterin des Seniorenheims, Irmhild Bethmann, bestätigt die Fortschritte, die die alten Leute und die Jugendlichen durch die Kooperation machen: „Die Kinder verändern sich durch das Projekt. Anfänglich sind sie sehr nervös, doch mit der Zeit werden sie richtig fürsorglich. Die alten Leute genießen das, geben aber auch viel zurück.“

Um beiden Seiten den Einstieg zu erleichtern, gibt es für jedes Treffen ein Thema oder Motto. So erzählt die 85-Jährige Martha Osterburg, den Schülern, wie aufwändig und anstrengend es früher gewesen sei, Wäsche zu waschen. „Die Kinder wissen oft gar nicht, wie gut sie es haben,“ sagt sie lachend. Den Jugendlichen, die alle rund 70 oder 80 Jahre jünger sind als ihre „Ersatz-Omas“, gefällt es, Geschichten aus alten Zeiten zu hören: „Mich interessiert wie es früher war und man lernt hier richtig viel,“ sagt der 13-jährige Matthias Stadje. Jetzt weiß er, dass man mit einer „eisernen Jungfrau“ früher Wäsche wusch. Und Frau Osterburg kann ihren Enkeln erzählen, dass sie nun weiß, was ein Ghettoblaster ist. Ulla Jasper