Der kleine Klassenunterschied

Christoph Daum gewinnt mit Fenerbahce Istanbul ein Freundschaftsspiel beim Oberligisten Türkiyemspor Berlin mit 3:2. Nur rund 5.000 Zuschauer

„Türkische Spieler werden das Gesicht des deutschen Fußballs prägen“

VON KATRIN WEBER-KLÜVER

Manchmal treffen sich der große und der kleine Fußball. Die von unten sind dann etwas aufgeregt, so wie Fatih Aslan: „Ein kleiner Traum wird wahr, gegen Fenerbahce Istanbul zu spielen.“ Und damit keine Zweifel aufkommen konnten, dass es trotzdem ein ernsthaftes Spiel werden würde, fügte er an: „Wir sind keine Hobbyfußballer.“

Das stimmt, Türkiyemspor Berlin spielt in der Oberliga, hat in seinen besseren Jahren kurz vor der Zweiten Liga gestanden, erlebt aber gerade schwere Jahren in jeder Beziehung, vor allem also in monetärer. Deshalb auch die Freude, am Sonnabend den populärsten Verein der Türkei zu einem Benefizspiel empfangen zu können.

Für die von oben ist so ein Spiel ein Test unter vielen zur Vorbereitung der Saison. Und die geht Fenerbahce mit großen Ambitionen an. Im Frühjahr 2005 wird das Champions-League-Finale in Istanbul ausgetragen. Tuncay Sanli glaubt an eine Kombination von eigener Stärke und Heimvorteil: „Wir können gewinnen.“ So offensiv ist der Spieler auch auf dem Platz. Er schoss im Jahn-Stadion den 2:3-Endstand.

Der Klassenunterschied war in der ersten Halbzeit, in der Fenerbahce schnell zwei Tore erzielte, größer als in der zweiten, in der Türkiyemspor zweimal traf. Für einen Viertligisten spielten die Kreuzberger ziemlich überzeugend, besonders technisch. Aber gerade an Qualität, auch technischer, hapert es im hiesigen Fußball bekanntlich. „Türkische Spieler werden das Gesicht des deutschen Fußballs prägen“, orakelte da gleich Fenerbahces Trainer.

In eher seltenen Fällen ist der Trainer eines türkischen Meisters zugleich Kenner des deutschen Fußballs, seiner chronischen und akuten Probleme. Bei Fenerbahce ist das so. Der Trainer heißt Christoph Daum. Und der weiß genau, dass in Deutschland gerade alles drunter und drüber geht. Natürlich ist das auch Thema, wenn er anlässlich eines Vorbereitungsspiels eine Pressekonferenz gibt. 2001 wäre er selbst Bundestrainer geworden, wäre ihm nicht trotz eifrigen Leugnens der Konsum von Kokain nachgewiesen worden. Nun ist sein Ruf hierzulande zwar immer noch reichlich ramponiert, seine Erfolge anderswo aber unstreitig. Auch scheinen das türkische Klima und Ambiente gesundheitsfördernd, machen den Teint bronzebraun und geben den Haaren einen neuen kupferblonden Schimmer. Luftveränderung tut manchmal gut.

Und deshalb kann Daum die Dinge süffisant von außen kommentieren. Kann sagen: „Es wäre sinnvoll, dass es dem DFB gelingt, einen Trainer zu finden, bevor er absagt.“ Und auch behaupten, selbst keine Ambitionen zu haben: „Die Türkei ist für mich eine Herzensangelegenheit und Fenerbahce eine Riesenherausforderung.“ Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Und natürlich ist Daum immer noch Daum, also nervös und misstrauisch und jeden Gegenüber mit fixen Blicken taxierend.

Und er kann es auch nicht lassen, eine Replik loszuwerden „wo wir gerade in Berlin sind“, denn seine gute Arbeit als Trainer „lasse ich mir auch von so einem Quatschkopf von Hertha nicht kaputt machen“. Gemeint ist Herthas Manager Dieter Hoeneß, der Daum jüngst unterstellte, überall nur kurzfristig Erfolg zu haben.

Leider können die beiden einstmals beim VfB Stuttgart eng und erfolgreich verbundenen Männer ihre Dispute nicht am 1. August im Olympiastadion persönlich weiterführen. Eigentlich sollte Fenerbahce dann anlässlich der Eröffnung des sanierten Olympiastadions wieder in Berlin sein. Es gab aber wohl Differenzen wegen des Vertrags. Nun kommt Besiktas, der kleinste unter den Istanbuler Großvereinen. Dabei würde Fenerbahce allein, hatte Daum vor dem Spiel gegen Türkiyemspor gesagt, mehr als das halbe Olympiastadion mit Fans füllen. Das darf inzwischen bezweifelt werden, denn in den Jahn-Sportpark kamen – besonders für die Gastgeber finanziell enttäuschend – nur etwa 5.000 Menschen. „Dann“, sagte Christoph Daum später in einem Anflug von Selbstironie, „hat in dieser Situation der Herr Hoeneß mal ein Näschen gehabt.“