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Archiv-Artikel

Chinesen im rechtsfreien Raum

Abgelehnte Asylbewerber dürfen hierzulande von der Polizei ihres Heimatlandes befragt werden – ohne Zeugen. Vorwurf der Misshandlung von Pro Asyl. Mainzer SPD-Innenminister Walter Zuber spricht von „diplomatischen Gepflogenheiten“

„Die chinesische Polizei ist für Menschenrechtsver-letzungen bekannt“

aus Wiesbaden THOMAS KLEIN

Schwere Vorwürfe erheben Flüchtlingsorganisationen gegen die rheinland-pfälzischen Behörden: In einer Abschiebungsbehörde in Trier sollen chinesische Polizisten abgelehnte Asylbewerber aus China bei einer Vernehmung bedroht und misshandelt haben. Das behaupten Pro Asyl und das Multikulturelle Zentrum Trier.

Durch die Vorwürfe gerät die gängige Praxis deutscher Behörden in die Kritik, abgelehnte Asylbewerber durch Vertreter ihrer mutmaßlichen Heimatländer vernehmen zu lassen, um ihre Identität festzustellen. Diese Vernehmungen finden in der Regel in Abwesenheit von deutschen Beamten statt. Dadurch entstehe „in den Räumen einer deutschen Behörde ein rechtsfreier Raum“, heißt es in einer Erklärung von Pro Asyl. Prominente Unterstützung erhält die Organisation auch von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, der Grünen Marie-Luise Beck. „Es darf prinzipiell nicht sein, dass ein zusätzliches Verfolgungsrisiko für die Betroffenen geschaffen wird, so lange sie sich in der Obhut deutscher Behörden befinden“, sagte ihre Sprecherin Malti Taneja gestern der taz.

Pro Asyl beruft sich auf Berichte von mehreren Flüchtlingen aus China. In insgesamt neun Fällen sollen die Beamten aus Peking ihre Landsleute Mitte Juni in der „Clearingstelle für Passbeschaffung und Flugabschiebung“ ohne Anwesenheit von deutschen Behördenvertretern vernommen haben. In mindestens einem Fall sei das Verhör in einem kalten Kellerraum durchgeführt worden.

Die Vernehmungen sind Teil der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Sie dienen der Feststellung der nationalen Identität von Menschen mit fehlenden oder unglaubwürdigen Dokumenten.

Rechtliche Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen dem deutschen Innenministerium und der Volksrepublik China. Laut der Vereinbarung dürfen ausländische Polizisten über die Anwesenheit von Dritten bei einer Vernehmung „ausschließlich selbst entscheiden“. Rheinland-Pfalz steht daher mit dieser Vernehmungspraxis nicht allein. „Die Anhörungen werden auch bei uns unmittelbar durch chinesische Beamte durchgeführt“, bestätigte Philipp Leber, Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums.

Unter Berufung auf diese Regelung hatten die chinesischen Polizisten in Trier auch einem Mitarbeiter des Multikulturellen Zentrums Trier die Anwesenheit bei einer Anhörung verweigert. Nach Ansicht von Pro-Asyl-Sprecher Bernd Mesovic ein klarer Rechtsbruch: „Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz hat jeder Mensch bei Behördengängen Anspruch auf die Anwesenheit eines Beistands.“

Das rheinland-pfälzische Innenministerium weist die Anschuldigungen zurück. „Aus unserer Sicht ist an den Vorwürfen nichts dran“, so Pressesprecher Eric Schäfer. Der Mainzer Innenminister Walter Zuber (SPD) spricht von „diplomatischen Gepflogenheiten“.

Pro Asyl nennt diese Reaktion des Innenministers „absurd“. „Die chinesische Polizei ist für Menschenrechtsverletzungen bei Vernehmungen bekannt“, warnt Mesovic. Es dürfe nicht sein, „dass potenzielle Schergen als Experten in Deutschland auftreten“. Mesovic rief den Innenminister dazu auf, den Leiter der Abschiebungsbehörde bis zur Klärung der Vorfälle zu suspendieren. Die Begründung des rheinland-pfälzischen Innenministers für das Verhör im Keller der Behörde hält Pro Asyl für eine Bagatellisierung. Zuber hatte darauf verwiesen, dass der übliche Vernehmungsraum – ein gläserner Wintergarten – wegen der unerträglichen Hitze ungeeignet gewesen sei.

Ein Ermittlungsverfahren gegen die Abschiebungsbehörde ist von der Staatsanwaltschaft Trier inzwischen eingestellt worden. Vier ausreisepflichtige Chinesen hatten Anzeige wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Bedrohung erstattet. Der Anwalt der Betroffenen, Eberhard Kunz, will nun Beschwere einlegen. Die Geschäftsführerin des Multikulturellen Zentrums Trier, Melanie Werner, verweist darauf, dass für die Körperverletzung durch den Tritt eines chineschen Polizisten ein ärztliches Attest vorliege.