arbeitslos wohnen : Hartz IV ist nicht neoliberal
Früher war alles besser. Wer die verdammende Kritik an den Arbeitsmarktreformen hört, muss die großartige, bedarfsdeckende, üppige Sozialhilfe für das weltbeste Fürsorgesystem halten. Demnach endet am 1.1.2005 für die Bedürftigen im Ruhrgebiet eine Zeit der Wohlfahrt – und eine dunkle Epoche der sozialen Kälte bricht an. Das ist kompletter Unsinn. Wer bisher jahrelang arbeitslos war, dem ging es auch vor Hartz IV und Arbeitslosengeld II meistens dreckig.
KOMMENTAR VONMARTIN TEIGELER
Die jahrzehntelange Unterteilung Langzeitarbeitsloser in Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfe-Empfänger war falsch. Schon heute leben Sozialhilfe-Abhängige oft in schlechten Wohnungen in den schlechtesten Stadtteilen des Reviers. Kein ALG II-Bezieher muss demnächst von Essen-Bredeney nach Katernberg ziehen. Er wohnt nämlich meistens schon im armen Norden der Stadt. Durch Hartz IV droht keine sozial determinierte Bereinigung unserer Wohnquartiere. Die Reform droht zu scheitern, weil bis Januar trotz aller Bemühungen kaum Millionen neue „Jobs“ entstehen dürften. Dieser Großversuch ist dabei kein Beleg sozialer Kälte. Nie in der Geschichte des deutschen Sozialstaats haben Politiker, Beamte und Verbändevertreter einen ähnlichen Versuch unternommen, binnen Monaten mit Lohnkostenzuschüssen und anderen korporatistischen Elementen Jobs und Arbeitsgelegenheiten zu schaffen. Neoliberal ist das mit Sicherheit nicht.