: Neue Vorwürfe an sudanesische Regierung
Human Rights Watch legt Dokumente vor. Danach ist Khartum direkt an den Vertreibungen in Darfur beteiligt
NEW YORK rtr/ap/taz ■ Die sudanesische Regierung ist nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation direkt in die Vertreibung oder Ermordung von mehr als einer Million Schwarzafrikaner in der Region Darfur verwickelt.
Der Direktor von Human Rights Watch (HRW), Kenneth Roth, präsentierte gestern in New York mehrere von sudanesischen Regierungsmitgliedern unterzeichnete Dokumente, denen zufolge die arabischen Dschandschawid-Milizen bei der Rekrutierung neuer Kämpfer und deren Bewaffnung unterstützt worden sind. Die Dokumente, die HRW aus der Zivilverwaltung von Darfur erhalten hat, beziehen sich auf den Zeitraum zwischen November 2003 und März 2004. Durch Angriffe der Dschandschawid auf die afrikanische Bevölkerung Darfurs wurden mehr als eine Millionen Menschen vertrieben und rund 30.000 getötet. Die Lösung des Konfliktes dürfe nicht weiter der Regierung in Khartum überlassen werden, forderte Roth, denn sie sei Teil des Problems.
Eines der vier Dokumente, deren Übersetzungen Roth Journalisten zeigte, sei vom stellvertretenden Innenminister des Sudan unterzeichnet und fordere die Rekrutierung neuer „Ritter“ – eine Bezeichnung, die auf die Milizen angewandt werde. In einem anderen Schreiben beantragen lokale Politiker Waffen für die Milizen. Ein weiteres Dokument verlange die Umsiedlung der afrikanischen Nomaden in bisher von Rebellen beherrschte Gebiete. In einem Fall geht es darum, über „kleinere Delikte“ im Kampf gegen Zivilisten hinwegzusehen. „Dies und neueste Erklärungen der Regierung, nach denen Vertriebene künftig in 18 Siedlungen statt in ihren Heimatdörfern leben sollen, wecken den Verdacht, dass diese ethnischen Säuberungen nicht mehr rückgängig gemacht werden sollen“, sagte Roth.
Die sudanesische Regierung hatte eine Verstrickung in die Angriffe abgestritten und UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Entwaffnung der Dschandschawid-Milizen zugesagt. Sie werde politische Gespräche mit beiden Seiten beginnen sowie Polizisten nach Darfur entsenden, hatte die Regierung in Khartum erklärt.
Roth forderte die UN zum Eingreifen auf. Es sei skandalös, dass es der UN-Sicherheitsrat bislang nicht für nötig gehalten habe, eine Resolution speziell zu Darfur zu verabschieden, sagte Roth. Er forderte die Entsendung einer Militärtruppe wie der aus Australien, die 1999 die Massaker in Osttimor beendete. „Der Druck auf Khartum muss ähnlich dem sein, der auf Jakarta ausgeübt wurde“, erklärte Roth.
Erst am Montag hatte die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) systematische Massenvergewaltigung, Folter und Entführung von Frauen und Kindern in Darfur angeprangert und ebenfalls schwere Vorwürfe gegen die sudanesische Regierung erhoben (siehe taz von gestern). Bei Überfällen der Milizen und bei öffentlichen Vergewaltigungen seien oft sogar Soldaten anwesend gewesen und hätten die Bevölkerung nicht geschützt. Viele Augenzeugen berichteten gegenüber ai, Dschandschawid-Milizionäre hätten sich bei ihrem Kampf zur Vertreibung der Schwarzafrikaner auf den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir berufen. Die Organisation fordert die Einsetzung einer internationalen Kommission, um die Kriegsverbrechen in Darfur zu untersuchen. B.S.