Hilfe von „Sheriff Joe“

CDU-Justizsenator Roger Kusch zieht durch, was er von den USA gelernt hat: Hamburgs Gefängnisse verkommen immer mehr zu Verwahranstalten. Großknäste statt qualifizierter Betreuung

von KAI VON APPEN

„Ein Knastaufenthalt ist kein Urlaub.“ Dass eine konservative Partei im Wahlkampf mit populistischen Slogans für ihre Hardliner-Position wirbt, ist wohl noch nachvollziehbar. Doch wenn eine solche Position verinnerlicht wird, kann das gravierende Folgen haben. Denn der Strafvollzug ist nach dem Gesetz nicht nur reiner Knast, sondern soll auch der Weg zur Resozialisierung von Straffälligen sein. Trotzdem hat Justizsenator Roger Kusch (CDU) seine Vorstellungen so rasant umgesetzt, dass es liberale Experten graust und „Santa Fu“-Chef Jobst Poeninghausen regelrecht die Flucht ergriffen hat: „Nach seiner Lehrstunde bei ‚Sheriff Joe‘ in der Wüste Arizonas scheint Kusch seinem Etappenziel eines möglichst viel aus Verwahrung bestehenden Strafvollzugs in Hamburg einen großen Schritt näher gekommen zu sein“, beschreibt der langjährige Insassenvertreter von „Santa Fu“, Jens Stuhlmann, die Situation in der Gefangenenzeitung „Blickpunkt“.

Tatsächlich setzte Kusch von Anfang an auf Repression und pures Wegsperren. So wurde die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder, vom Vorgängersenat als offene Anstalt mit 382 Plätzen als Ersatz für die JVA Vierlanden konzipiert, unmittelbar nach der Amtsübernahme zu einem geschlossenen Mega-Knast mit 800 Haftplätzen umgestaltet. Inzwischen sind die rund 250 Insassen aus dem offenen Vollzug der JVA Vierlande in den ersten Teilabschnitt nach Billwerder und damit wieder in eine geschlossene Haftanstalt verlegt worden. Zwar genießen sie nach taz-Informationen dort weiter ihre alten Urlaubs- und Freigangsregelungen, obwohl es in Billwerder eigentlich nur 35 Plätze im offenen Vollzug gibt. „Alles andere“ so Wolf-Dieter Rheinhard, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hamburger StrafverteidigerInnen „wäre rechtlich auch problematisch.“ Die scharfen hausinternen Richtlinien allerdings – beispielsweise den früheren Einschluss –, wie sie für die normalen Häftlinge gelten, müssen auch sie jetzt in Kauf nehmen. Rheinhard: „Damit schafft Kusch faktisch längerfristig den offenen Vollzug ab.“

Nur in Hamburg Trend: Der Mega-Knast

Überhaupt scheint der Senator – entgegen dem Trend – auf Mega-Knäste zu stehen. So hat er die drei Fuhlsbüttler Haftanstalten Nesselstraße (V), Suhrenkamp (I) und „Santa Fu“ (II) zu einer JVA Fuhlsbüttel zusammengelegt – mit nunmehr über 1000 Gefangenen. „Durch die Zusammenlegung sparen wir Personal in den Verwaltungsabteilungen“, rühmt sich Kusch. „Die Kräfte werden wir direkt im Vollzug einsetzen, um so die steigenden Gefangenenzahlen zu bewältigen.“ Schließer, die durch den Ausbau von Billwerder benötigt werden. Die Folge: In Fuhlsbüttel wird noch weniger Personal zur Verfügung stehen.

„Die Änderungsmaßnahmen dürften den Vollzug endgültig zum Verwahrvollzug machen“, befürchtet Stuhlmann. Weniger Beamte bedeute schlicht auch „weniger Anwesenheit, weniger Aufmerksamkeit – und damit weitere Einschränkungen der so genannten Aufschlusszeiten, in denen sich Gefangene innerhalb der Knäste bewegen können, sowie Einschränkungen bei Sportmöglichkeiten oder Gruppenangeboten“.

Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen (AsJ) sieht ihre Befürchtungen einer US-geprägten Kusch-Politik bestätigt. Mehr Sicherheit, mehr Repression, weniger Betreuung sei eine falsche Prioritätensetzung. „Die Praktiker im Vollzug versuchen derzeit noch einen reinen Verwahrvollzug zu verhindern“, berichtet die stellvertretende AsJ-Bundesvorsitzende Anke Pörksen. Daher gebe es zwar noch keine „krassen Beispiele, aber Indizien“. Die Hamburgerin warnt vor der Aggressions- und Depressionsspirale. „Durch die Erhöhung des Drucks nehmen auch die Übergriffe und der Drogenkonsum zu, und die ziehen wieder stärkerer Sanktionen nach sich.“

Telefonieren im Knast wird limitiert

Auf Verärgerung stößt auch Kuschs Plan, zum 1. September das Telefonieren in der Fuhlsbüttler Anlage wie in Billwerder aus „Sicherheitsgründen“ drastisch einzuschränken. Mit einem neuen Telefonkarten-System sind die Einheiten pro Monat limitiert. Gravierender noch: Überhaupt kann ein Häftling nur 20 verschiedene Anschlüsse seiner Wahl anrufen, die zuvor von der Knastleitung penibel überprüft worden sind. Damit ist der spontane Beschwerdeanruf faktisch unterbunden. Bisher konnte Insassen unkontrolliert telefonieren.

Rheinhard geht davon aus, dass diese Pauschalregelung keinen Bestand haben wird, da die „individuellen Bedürfnisse“ keine Berücksichtigung finden. „Wir werden dagegen etwas unternehmen und hoffen auf Übereinstimmung mit den Strafvollstreckungskammern.“ Denn wenn ein Insasse vor der Entlassung steht, zum Beispiel auf Jobsuche ist, könne sein Telefonbedürfnis höher sein. „Dann geht es nicht, dass er erstmal fünf Nummern streichen lassen muss.“