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Archiv-Artikel

Unterstützung nicht nur für Profis

Nach dem Selbsthilfeprinzip bietet der Bremer Psychologe Jobst Pagel Supervision für LaienberaterInnen an. Was die Ehrenamtlichen verbindet ist, dass sie jeweils Fachleute auf ihrem Gebiet sind, aber meist Laien in der Beratungsarbeit

Der Berater hat festgestellt, dass es eine regelrechte Problem-Hitliste gibt„Ich setz mich da nicht als Oberschlaumeier hin und erkläre, wie man es macht.“

Ob DiabetikerInnen, Spielsüchtige, Eltern von neurodermitiskranken Kindern oder Angehörige von Schlaganfall-PatientInnen – in Bremen gibt es über einhundert Selbsthilfegruppen und Anlaufstellen für Hilfesuchende. In ihnen engagieren sich Menschen, die durch die eigene Betroffenheit zwar Fachleute sind. Gleichzeitig sind sie meistens Laien – auf dem Gebiet der Beratung anderer Betroffener und darin, tragische Schicksale, die sie zu hören bekommen, zu verarbeiten.

Jobst Pagel kennt viele Bremer Selbsthilfegruppen. Er arbeitet unter anderem als Supervisor für das paritätische Bildungswerk in Bremen. Das Bildungswerk bietet den Ehrenamtlichen die Möglichkeit, die Probleme, die ihre Selbsthilfe-Arbeit mit sich bringt, in einer gemischten Supervisionsgruppe bei Pagel zu bearbeiten. Heißt: Nicht eine Selbsthilfegruppe kommt komplett zur Supervision und klärt ihre internen Probleme. Dafür wenden sich die Betroffenen an das „Netzwerk Selbsthilfe“. Zu Jobst Pagel kommen vielleicht eine Asthmatikerin, ein Spielsüchtiger, ein Mensch mit psychischen Problemen, ein Vater von einem neurodermitiskranken Kind und eine brustamputierte Frau – jeweils aus ihren Selbsthilfegruppen – und tauschen sich über ihre Probleme aus. Dabei arbeitet Pagel in der Supervisionsgruppe wiederum nach dem Selbsthilfe-Prinzip. „Ich setze mich da nicht als der Oberschlaumeier hin und erkläre den TeilnehmerInnen, wie man es macht.“ Seine Rolle sei die des Moderators, die TeilnehmerInnen finden mit Hilfe ihrer eigenen Erfahrungen Lösungen für die vorgetragenen Schwierigkeiten. Dieses Prinzip setzt außer Pagel in Bremen noch eine Supervisorin in Essen ein. Ansonsten sei Supervision für Selbsthilfegruppen nicht besonders verbreitet, sagt Pagel.

Der Berater hat im Laufe der Jahre festgestellt, dass es eine regelrechte Hitliste der gruppenübergreifenden Schwierigkeiten gibt: An erster Stelle sei die Arbeitsverteilung und -organisation zu nennen. „Jeder Mensch, der schon mal in einer Gruppe mitgearbeitet hat, weiß, dass es immer ein, zwei, drei Leute braucht, die viel Arbeit übernehmen, und dass es immer einige gibt, die nur mitlaufen“, erklärt Pagel. Ein zweiter Klassiker unter den überall auftauchenden Problemen sei die Beratungsarbeit, die viele Selbsthilfe-Engagierte leisteten, ohne dass sie dafür eine spezielle Ausbildung qualifizieren würde. „Dabei stoßen die LaienberaterInnen schnell an ihre Grenzen“, weiß der Psychologe. Dritter Schwerpunkt bei den Gruppenproblemen ist die Leitung: Wie soll Leitung aussehen und wer übernimmt sie?

Fünf bis acht TeilnehmerInnen sind pro Gruppe möglich. Sie treffen sich insgesamt fünfmal in einem vierzehntägigen Rhytmus. Dieser zeitliche Abstand sei sinnvoll, damit die in der Zwischenzeit in den jeweiligen Gruppen erarbeitete Lösungen auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden können. „Wenn die Gruppe möchte, und das paritätische Bildungswerk sein Okay gibt, können wir noch bis zu drei Termine dran hängen“, sagt Pagel.

Der Unterschied von Supervision für LaienberaterInnen oder für Profis liege darin, dass hauptamtliche BeraterInnen über ihre jeweiligen Berufsverbände ohnehin über die besseren Ressourcen verfügen würden, aus denen sie sich Unterstützung organisieren könnten. Ulrike Bendrat