: Schily: Schwarze in die Wüste
Auffanglager in Nordafrika. Damit will der Bundesinnenminister die Flüchtlinge aus dem Schwarzen Kontinent unter Kontrolle bringen. Und die „Cap Anamur“ überflüssig machen. Kritik von allen Seiten
BERLIN taz ■ Der Vorstoß von Innenminister Otto Schily (SPD) zur Schaffung von Asylbewerberlagern außerhalb der EU ist bei Flüchtlingsorganisationen, bei den Grünen und der FDP auf Kritik gestoßen. „Das wäre eine Abkehr von der humanitären Tradition des Grundgesetzes“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP, Max Stadler, zur taz. Seine Partei wende sich gegen Schilys Pläne, „weil sie bedeuten, Asylbewerber generell vom Schutz in Europa auszuschließen“, erklärte Stadler. „Das ist mit der FDP nicht zu machen.“
Der grüne Zuwanderungsexperte Volker Beck äußerte sich „besorgt“. Eine Diskussion über Auffanglager in Afrika könnte der Einstieg sein „in eine Flüchtlingspolitik, die die Flüchtlinge vor den Toren der Festung Europa aufhält und abweist“. Pro Asyl kritisierte Schilys Vorschlag als „zynisch, völkerrechts- und verfassungswidrig“. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) nannte den Vorschlag des Ministers dagegen „interessant“.
In Brüssel wurde Schilys Idee, Sammellager in afrikanischen Ländern einzurichten, mit Verwunderung aufgenommen. „Es war eine Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, dieses Arbeitsfeld wieder aufzugeben“, sagte der Sprecher von EU-Justizkommissar Antonio Vitorino. Er erinnerte daran, dass ähnliche Vorschläge der britischen Regierung Anfang 2003 verworfen wurden. Die Kommission habe deshalb „noch nicht an der Sache gearbeitet“, sagte Vitorinos Sprecher. Er fügte allerdings hinzu: „Falls Deutschland schon daran gearbeitet hat, wollen wir das gerne berücksichtigen.“
Schily hatte am Rande des EU-Innenministerrats in Brüssel vorgeschlagen, in Nordafrika Asylbewerberlager einzurichten. Als mögliche Standorte erwähnte er Libyen und Marokko. Dort könnten EU-Beamte die Asylanträge von Flüchtlingen prüfen. Bisher habe er diesen britischen Vorschlag skeptisch gesehen, sagte Schily. Nach der umstrittenen Rettungsaktion der „Cap Anamur“ im Mittelmeer habe er seine Amtskollegen jedoch aufgefordert: „Lass uns das mal an der Stelle ausprobieren.“ Zur Begründung sagte Schily: „Die Probleme Afrikas müssen mit tatkräftiger Unterstützung Europas in Afrika gelöst werden, aber sie können nicht in Europa gelöst werden.“
Nach der Kritik an seinem Vorstoß erklärte Schilys Sprecher, es sei traurig, dass die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl „nur noch zu dümmlicher Polemik greift“. An die Grünen appellierte er, „nicht nur Vorschläge abzulehnen, sondern eigene zu machen“. Neben seinen üblichen Kontrahenten muss sich Schily nun auch mit Kritik des von ihm geschätzten FDP-Politikers Stadler auseinander setzen. Stadler sagte, Europa dürfe sich nicht abschotten. Stattdessen müssten Flüchtlinge „in vernünftiger Weise auf alle EU-Länder verteilt werden, um die Mittelmeeranrainer zu entlasten“.
Die Verantwortlichen der „Cap Anamur“ verteidigten unterdessen erneut ihr Vorgehen während ihrer Fahrt durchs Mittelmeer, bei der sie 37 Afrikaner an Bord genommen und nach Italien gebracht hatten. Es sei „Quatsch“, dass er die Flüchtlinge für ein Mediendrama instrumentalisiert habe, sagte Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel in Berlin. LUKAS WALLRAFF
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