: Seefahrt mit These
Ein Beitrag des NDR-Magazins „Panorama“ über die „Geisterfahrt der Cap Anamur“ gerät in die Kritik – er soll Fakten bewusst missachtet haben
VON ARNO FRANK
Auf ihrer medienwirksamen Irrfahrt durchs Mittelmeer, unter anderem in maltesischen Gewässern, lief die „Cap Anamur“ mit ihren dubiosen Flüchtlingen an Bord schließlich unter den Augen der Welt Porto Empedocle an – so zumindest der Eindruck, der bei Zuschauern des NDR-Magazins „Panorama“ vom 15. Juli entstanden sein muss.
Schwere Vorwürfe gegen den Redakteur des Beitrags, Michael Holthus, hat nun Martin Hilbert von der Kölner Filmfirma Aquino erhoben. Der Dokumentarfilmer ist über den Umgang mit seinem vor Ort an Bord gedrehten Material so empört, dass er sich – wie schon Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel – mit einer „offiziellen Programmbeschwerde“ gleich an den Intendanten Jobst Plog wendete: „Mich hat entsetzt, wie mein Material […] in dem Beitrag inhaltlich entstellt wurde. Ich bin es nicht gewohnt, dass Einstellungen, die in einem bestimmten Zusammenhang stehen, wissentlich in einen anderen gestellt wurden“, so Hilbert in dem Papier, das der taz vorliegt. Der Beitrag über die „Geisterfahrt der Cap Anamur“ sei auf die These hin geschnitten worden, die Besatzung habe aus PR-Gründen mutwillig Zeit verstreichen lassen.
Seine Kritik illustriert Hilbert, der in Tunis selbst an Bord der „Cap Anamur“ gegangen war und weite Teile der Fahrt „nicht nur begleitet, sondern auch journalistisch begleitet hat“, anhand von sechs Beispielen.
So werde u. a. in dem „Panorama“-Beitrag ein angebliches Besatzungsmitglied der „Cap Anamur“ als O-Ton-Zeuge zitiert, das in Wahrheit als Übersetzer für Journalisten im Hafen gearbeitet und „insgesamt etwa 20 Minuten an Bord verbracht“ hatte. Auch sei eine Karte eingeblendet worden, die einen Schlenker nach Malta zeigte, den es laut Hilbert nie gegeben hat: „Das kann ich mit meiner Mobilfunkrechnung beweisen, weil ich zu diesem Zeitpunkt über das italienische Netz vor Lampedusa mit meiner Frau telefoniert habe“, 100 Seemeilen von Malta entfernt.
Auch habe der „martialische, zwölftägige Aufmarsch der italienischen Küstenwache“ kaum Erwähnung gefunden: „Die standen mit dem Hubschrauber zwei Meter über der Brücke“, so Hilbert zur taz. Kein unwichtiger Aspekt, war doch die psychische Zerrüttung der Flüchtlinge an Bord Grund für die Seenot, mit der Kapitän Stephan Schmidt das Anlaufen von Porto Empedocle begründet hatte. Was übrigens zunächst genehmigt, dann wieder verboten worden sei, so Hilbert: „Wir haben die O-Töne, wir haben den Funkverkehr.“ Von einem medienwirksamen Einlaufen „jetzt, wo alle Kameras in Position sind“ (O-Ton „Panorama“) könne also keine Rede sein.
Und das, obwohl Hilbert und seine Kollegen dem „Panorama“-Team ihr komplettes Material zur Verfügung gestellt hätten. „Da fühle ich mich umgedreht“, so Hilbert zur taz.
Der beschuldigte NDR-Redakteur Holthus sieht das anders und „die journalistische Sorgfaltspflicht gewahrt“. Man habe mit dem Beitrag die Fahrt der „Cap Anamur“ so objektiv wie möglich rekonstruieren wollen. Ansonsten verweist der Redakteur auf eine offizielle Stellungnahme seines Senders – zumal die „offizielle Beschwerde“ von Martin Hilbert dem NDR noch gar nicht vorliege.