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Archiv-Artikel

Wenn Holzschiffe auf Wiesen segeln

Das Projekt „Rummelsburger Stadtspiele“ versucht, kaum genutzten Orten neues Leben einzuhauchen: Zum Beispiel dem Lichtenberger Nöldnerplatz. Die Initiatoren zapfen pragmatisch EU-Töpfe an – und sind doch Stadtromantiker

Am Wochenende verwandelte sich der Nöldnerplatz in Lichtenberg in ein turbulentes Zentrum der Kreativität. Die Lichtenberger kamen, sahen und machten erstaunte Gesichter. Schier unglaublich, dass der sonst verwaisten Platz genutzt werden könnte, um dort ein Theaterstück vorzuführen. Oder dass Kiez-Kinder mitten auf der grünen Wiese zum Bau von Holzschiffchen motiviert werden. Das Projekt „Rummelsburger Stadtspiele“ versuchte in den letzten Wochen verlassene Orte in Lichtenberg lebendig werden zu lassen – zum Beispiel mit einer Führung durch die Viktoriastadt. Am vergangenen Samstag war also der Nöldnerplatz dran.

Als grüne Oase liegt er inmitten eines Geflechts aus Straßen und S-Bahngleisen. Vom Stress benebelt hasten die Menschen hier vorbei. Robert und Angela Keiper erging das 28 lange Jahre so. Sie kennen den Nöldnerplatz als Transitstrecke: „Den hübschen Brunnen hier sehe ich heute zum ersten Mal“, sagt Keiper und zeigt auf das Wasserbecken in der Mitte des Platzes.

Der Brunnen hat eine lebendige Geschichte. So wie die ganze Umgebung des Nöldnerplatzes. Gleich hinter den Bäumen liegt der Rummelsburger See. Um ihn ranken sich Legenden von verzauberten Krebsen und Prinzessinnen. 1870 verdrängte die Industrialisierung die Dörfer um den See. Eine Perlonfabrik siedelte sich da an, wo vorher Obstbäume blühten. Mit ihnen verschwanden nach und nach auch die uralten Legenden.

Nun gibt es zwei Stadtromantiker, die der Überzeugung sind, auch Stadtmenschen brauchen Geschichten, um ihre Kiezwelt bewusst wahrzunehmen. So begann für Robert Mingau und Carsten Jensen harte Arbeit. Sie schufen das Nachbarschaftsprojekt „Rummelsburger Stadtspiele“. Ihr Ziel: „Wir wollen die Leute durch spielerische Aktionen und durch die alten Legenden an den Kiez heranführen.“

In Berlin bedarf es neben Optimismus auch ein entsprechendes Budget, um die Fantasie der Menschen zu wecken. Die nötigen Gelder, um dem Nöldnerplatz mit ihrem „Wasser Marsch“-Programm Leben einzuflößen, bekamen Mingau und Jensen von dem europäischen Förderfonds für Stadtentwicklung „Urban II“. Durch diesen Geldhahn sollen städtische Krisengebiete unterstützt werden. Die begeisterte Beteiligung der Rummelsburger Bürger hat gezeigt, dass Berlins Kiezen weitere Urban II-Projekte sicher nicht schaden würden. Für den Nöldnerplatz ist der erste Schritt zur Wiederbelebung getan.

KATHARINA KORELL

Informationen über das Berliner Urban II-Projekt gibt es im Internet unter www.urban2-berlin.de