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Archiv-Artikel

Und am siebten Tag malte er

Kunst für Daheimgebliebene (3): Malerei. Are you lonesome tonight: Der Fernsehmaler Bob Ross versüßt dem nichts ahnenden Zuschauer so die Nacht, dass er darüber gar dem Sex entsagen könnte

Bob Ross zeigt dir, woher die schönen Künste ihren Namen habenDie einzige weder synchronisierte noch untertitelte Sendung im deutschen TV

von MAGDALENA KRÖNER

Wer früher mitten in der Nacht nach Zerstreuung der anderen Art suchte, wurde beim bayerischen Fernsehen fündig: Space-Night hieß die neuzeitliche Anleitung zur Meditation. Nichts schien schöner als das zeit- und ortlose Gleiten über den blauen Planeten: Downer ohne Nebenwirkung. Fernsehen mit Einschlafgarantie. Doch seit einiger Zeit ist alles anders: im bayerischen Bildungskanal BR-alpha wird neuerdings mitten in der Nacht gemalt. „Bob Ross – The Joy of Painting“ heißt das und ist längst die erfolgreichste Sendung des Spartenkanals.

Eine einzige Kamera reicht, um eine Szenerie einzufangen, die das Auge zunächst kaum glauben mag. Das Studio liegt dunkel und still, einzig ein Maler und seine Leinwand stehen im Licht. Der Maler heißt Bob. Bob Ross. Und er zeigt dir, woher die schönen Künste ihren Namen haben.

Er ist ein Mann, wie es keinen mehr gibt: kräftig, aber schlank, sexy und feinfühlig, ein halboffenes, tadellos sitzendes weißes Hemd legt prächtiges Brusthaar frei, eine Aureole strahlend gelockten Haars umkränzt sein Haupt. In der Linken hält er eine Palette, auf der er Farben mit edlen Namen mischt: Van-Dyke-Braun, Phtalo-Grün, Titan-Weiß. Von eurem nächtlichen Treffen wisst nur ihr beide. Er untermalt euer tête-à-tête mit einem gutturalen Brummen: „You can do it, you can really do it. Just tap it. It’s easy.“ Wer würde sich davon nicht verführen lassen? Es ist die einzige Sendung im deutschen Fernsehen, die weder synchronisiert noch untertitelt ist, sagt BR-alpha-Redakteur Jörg Lösel.

„Anyway you want it, that’s the right way“, zählt zu den Lieblingssätzen des Meisters. Wem Bob Ross einmal begegnet ist, der vergisst ihn so schnell nicht mehr. Der Sex-Appeal des vorgeblich harmlosen Progrämmchens ist kühl kalkuliert: Bob Ross erfand „The Joy of Painting“ am Beginn der 70er-Jahre, just in der Zeit, als auch Alex Comforts Megaseller „The Joy of Sex“ erschien, das Standardwerk für das moderne Paar. Bob Ross ist wie „More Joy of Sex“ nur auf einer (schön-)geistigen Ebene: es ist ganz leicht, jeder kann es erlernen, es kommt nur auf die richtigen Handgriffe an. Und: es macht glücklich. Also wundern Sie sich nicht, wenn man Ihnen demnächst anzüglich zuraunt: „Ich hab neulich nachts ferngesehen. Bob Ross. Und es war besser als alles, was ich bislang im Bett erlebt habe.“

Zugleich appelliert der Sohn eines Zimmermanns (sic!) an weitere Urinstinkte: den Wunsch nach Gestaltung der Welt, die Sehnsucht nach dem Schöpferischen. Bob Ross ist zur Erde zurückgekehrt, um sie Schönheit und Glück zu lehren. Wie sonst sollte man sich die Häufung von „happy little trees“ und „happy little clouds that live up in the sky, float around and have fun all day“ erklären? Doch am Anfang gilt auch für Bob: „Die Erde aber war wüste Wirrnis, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ Auch der Anfang eines Bildes von Bob Ross sieht so aus: ein ungeformtes Nichts, über das sich allmählich die Schleier der Kreation legen.

Zuerst werden dabei vielleicht ein paar bläuliche Schwaden sichtbar; allmählich legen sich Linien darüber, einige farbige Tupfer. Hier ist die Farbe noch, was sie ist: rein und strahlend, ungemischt kommt sie auf die Leinwand. Licht ist weiß, Schatten sind schwarz. Und siehe da: ein paar Schwünge und Striche später fließt ein kristallklarer Gebirgsbach durch einen herbstlichen Wald. So einfach kann der Wille zur Schönheit sein.

Die Bilder atmen einen Bombast, der der amerikanischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts, etwa den mystisch durchglühten Landstrichen eines Frederic Edwin Church, alle Ehre macht. „Peaceful Haven“, „Warm Winter Day“, „Emerald Waters“ und „Mountain Glory“ heißen seine Bilder – America, the beautiful. Die scheinbar ideologiefreie, leicht zu reproduzierende Naturmalerei hat Bob Ross nicht nur zur erfolgreichsten Sendung bei BR-alpha gemacht. In 19 Ländern läuft Bob Ross – seit mehr als 20 Jahren. Vor allem in asiatischen Ländern ist die amerikanische Sonntagsmalerei ein Riesenerfolg: In Japan, Thailand und China wird Bob Ross eine regelrechte Heldenverehrung zuteil. Jüngste Anwärter auf Bob-Ross-Airtime sind Nowosibirsk und Finnland.

Doch auch im Orient ist der okzidentale Schamane ein Hit, wie Bert Effing, Chef der europäischen Bob Ross Company zu berichten weiß: „Auf der Fernsehmesse im Iran meinte ein Diplomat zu mir: Bob Ross ist der einzig gute Amerikaner, den wir kennen. Er trägt einen Bart und spricht am Ende jeder Sendung Gottes Segen aus.“

Doch der weltweite Kult gilt einem Toten: 1995 starb Bob Ross mit 52 Jahren an Krebs. Doch wie sich das für einen Quasi-Heiligen gehört, lebt er weiter: Auf einer schrulligen Website fungiert er als virtueller Kommentator für Kämpfe der World Wrestling Foundation. Und eine fränkische Mädchenband namens „Bob Ross Superstar“ wahrt sein Andenken. Happy Painting – and God bless you, Bob.