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Archiv-Artikel

HIV nicht mehr geduldet

Ausländerbehörden in Brandenburg und das Verwaltungsgericht Potsdam verschärfen Asylpolitk: Bereits abgelehnte Asylbewerber können Aids kaum mehr als Duldungsgrund geltend machen

von SUSANNE LANG

Zwei Asylbeweber aus Afrika sind trotz ihrer HIV-Infektion von der Abschiebung bedroht. Die Anträge auf Duldung einer 24-jährigen Frau und eines 25-jährigen Mannes liegen einer Ausländerbehörde in Brandenburg und dem Verwaltungsgericht Potsdam vor. Nach dem Ausländergesetz könnte eine Infektion mit den Erregern der Immunschwächekrankheit jedoch als „eine erheblich konkrete Gefahr für Leib oder Leben“ gewertet werden und somit ein Abschiebestopp erwirkt werden.

Aufgrund mehrerer Gespräche mit zuständigen Personen befürchtet die Rechtanwältin Christine Thomas-Khaled jedoch, dass die Duldung abgelehnt und die Infektion der Afrikaner nicht als Abschiebungshindernis nach Paragraf 53 Absatz 6 des Ausländergesetzes gewertet wird.

In einer Stellungnahme vom 7. Juli auf eine Anfrage der Anwältin zum Fall der 24-Jährigen wertet das zuständige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eine HIV-Infektion nicht als erhebliche konkrete Gefahr. „Bisher fehlen jedoch vorliegend eindeutige Nachweise darüber, dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland der sichere Tod oder schwerste Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Unversehrtheit droht.“ Die Flüchtlinge müssten beweisen können, dass sie „unmittelbar“, also innerhalb einer Frist weniger Wochen, an Aids stürben. „Unser Problem ist, dass wir keine Beweise haben“, erklärt die Anwältin Thomas-Khaled. Der Kontakt zu abgeschobenen Flüchtlingen gehe meist verloren.

Die Frage, weshalb eine Aidsinfektion im Hinblick auf die schlechtere medizinische Versorgung in afrikanischen Staaten nicht als „Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit“ gelte, wollte die Geschäftsführung des Bundesamts nicht beantworten. „Keine Stellungnahme zu laufenden Verfahren“, so lautet die Devise. „Wir handeln gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes“, betonte die Geschäftsführung des Amtes in Potsdam.

Gerade die medizinische Versorgung stellt für Carmen Valdivia von der Berliner Aidshilfe ein schwerwiegendes Problem dar. „Selbst wenn einige afrikanische Staaten offiziell zu den Ländern mit Aidsmedikamenten zählen, sind diese schlecht verfügbar“, so Valdivia. Das heißt: Entweder sind sie zu teuer oder aus Gründen der schlechten Infrastruktur für Menschen aus ländlichen Regionen nicht erreichbar. „Ohne Medikamente bricht das Immunsystem zusammen.“

Ein medizinisches Empfehlungsschreiben des Robert-Koch-Instituts in Berlin kommt ebenfallszu dem Schluss, dass eine „HIV-Infektion bei den Betroffenen in der Regel ohne antiretrovirale Behandlung früher oder später unweigerlich zum Tode führt“. Aus medizinischer und humanitärer Sicht, so das Institut, könnten keine Bedingungen definiert werden, unter denen eine Abschiebung in ein Land vertretbar sein könnte, in dem solche Behandlunsgmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden. Für das Bundesamt ändert dies jedoch nichts an der, so wörtlich, „Auslegung des Tatbestandes des Paragrafen 53 Absatz 6“.

Es begründet seine Position zudem damit, dass die Gefährdung durch eine HIV-Infektion im Falle einer Abschiebung keine individuelle Bedrohung für Afrikaner darstelle, da im Abschiebeland viele Menschen von der Krankheit bedroht seien. „Es ist allgemein kundig, dass die Immunschwäche Aids, an der die Klägerin leidet, eine zumal in Afrika verbreitete Krankheit ist; die Zahl der HIV-Infizierten ist dort besonders groß.“

Anwältin Thomas-Khaled, die seit sechs Jahren im Afrika-Center Berlin Asylverfahren juristisch betreut, sieht hinter dieser Argumentation politisches Interesse: „Wir haben in Brandenburg eine Tendenz dahin, Flüchtlinge mit HIV nicht mehr zu dulden.“ Gefährdet seien vor allem Aidskranke in den so genannten Stadien A1 oder A2; das sind Infizierte, die noch keine Krankheitssymptome zeigen wie im Fall der beiden Afrikaner.

Vor einigen Jahren noch hätte man Abschiebestopps leichter erreichen können, so die Erfahrung von Thomas-Khaled. „Moralisch ist das nicht mehr tragbar“, findet die Anwältin. Indiz für die Tendenz einer härteren Linie gegen Aidskranke, sei auch die Diskussion über allgemeinpflichtige HIV-Tests für Flüchtlinge, wie sie in Bayern bereits praktiziert werden.