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Archiv-Artikel

Heim ins Österreich!

Die Wiener gehen, die Deutschen kommen: Bei RTL verabschiedet sich die komplette Führungsriege – es ist ein logischer Schritt für den Marktführer

VON ARNO FRANK

Wenn es einen Wechsel in der örtlichen Sparkasse gegeben hätte, die Meldung wäre kaum nüchterner ausgefallen. Zum 1. November 2004 nehmen die altgedienten RTL-Funktionäre den Hut und neue Leute Platz auf den Chefsesseln des umsatzstärksten deutschen Privatsenders: der frühere RTL-Programmdirektor Marc Conrad (43) übernimmt die Geschäftsführung von Gerhard Zeiler (49), sein langjähriger Chefredakteur Hans Mahr (55) wird von Michael Wulf (45) und dem bisherigen Nachrichtenchef Peter Kloeppel (49) abge- löst, Mahrs Position als Direktor für Information und Medienpolitik wird demnächst – Hosianna! – eine Frau ausfüllen: Ingrid Haas.

Bisher wenig Eigenes

Vor allem die Ernennung von Conrad könnte bemerkbar frischen Wind in ein Programm bringen, das bis dato mehr durch Effizienz und einen kühnen Blick auf profitable ausländische Formate aufgefallen ist („Wer wird Millionär?“, „Deutschland sucht den Superstar“) als durch prestigeträchtige, aber eben auch teure Eigenproduktionen – wie Sat.1 mit dem „Wunder von Lengede“ oder dem Republikflucht-Mehrteiler „Der Tunnel“.

Der Riege um Mahr und Zeiler, beide aus dem Dunstkreis österreichischer Kanzler und des ORF in den privaten TV-Markt Deutschlands gewechselt, gelang es, RTL als unspektakuläre Qualitätsmarke ohne große negative oder positive Ausschläge zu etablieren – „Sparkassenfernsehen“ eben, berechenbar, rentabel. Zeiler wird sich nun auf seinen Posten als Vorstandsvorsitzender der RTL-Gruppe in Luxemburg konzentrieren, Mahr verlässt den Sender – vielleicht sogar das Land. Ihm werden politische Ambitionen in Österreich nachgesagt, auch eine ORF-Intendanz scheint nicht ausgeschlossen. Es war der erklärte Wille von Mahr und Zeiler, den RTL-Führungswechsel geordnet und „gemeinsam zu gestalten“ – so lassen sie es jedenfalls jetzt verbreiten.

Anders als Mahr, der den Glamour liebte und auch auf dubiosen Boxveranstaltungen aufzutreten beliebte, steht Kloeppel für die Nachrichtenkompetenz des Senders – eine Disziplin, in der sich RTL längst an der „Tagesschau“, nicht der privaten Konkurrenz misst. Dabei wird Kloeppel als Chefredakteur und erster Journalist weiterhin Hauptmoderator der Nachrichtensendung „RTL aktuell“ bleiben.

An der Spitze bleiben

Und Conrad, der RTL von Beginn an und als persönlicher Assistent des vormaligen Chefs Helmut Thoma kennen gelernt hat, will den Sender weiterhin als „unangefochtene Nummer 1“ in Deutschland sehen. Er wird sich anstrengen müssen: Im ersten Halbjahr musste RTL Marktanteile abgeben und war hinter die ARD zurückgefallen. Da mag die Fußball-EM ihren Beitrag geleistet haben. Klar ist dennoch, dass Conrad neue Akzente wird setzen müssen, um die Marktführerschaft nicht dauerhaft zu verlieren. Eine kuriose Qualifikation für seinen neuen Job bringt Conrad jedenfalls mit: Er ist in Luxemburg geboren. Wie RTL.