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Archiv-Artikel

Kritik aus den Reihen der Weltorganisation

Der Anschlag von Bagdad hat bei den Vereinten Nationen einen erheblichen Schock ausgelöst. Befürchtet werden weitere Attentate

GENF taz ■ UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat eine Einschränkung oder gar den Abbruch der Arbeit der Vereinten Nationen im Irak auch nach dem verheerenden Anschlag auf die Niederlassung in Bagdad abgelehnt.

„Wir werden durchhalten, wir werden unsere Arbeit fortsetzen, wir werden uns nicht einschüchtern lassen“, erklärte Annan gestern bei seiner vorzeitigen Abreise aus seinem Urlaub in Schweden nach New York, wo am Abend der Sicherheitsrat in einer Sondersitzung über die Lage im Irak beraten wollte.

Zuvor hatte UNO-Sprecher Salim Lone in Bagdad Berichte über eine angeblich geplante Evakuierung aller UNO-MitarbeiterInnen in das Nachbarland Jordanien als „falsch“ zurückgewiesen. Es würden lediglich MitarbeiterInnen wie geplant im Rahmen des üblichen Rotationssystems Irak verlassen. Außerdem seien einige der über 100 bei dem Anschlag Verletzten zur medizinischen Behandlung nach Jordanien ausgeflogen worden.

Der Generalsekretär kündigte eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen im Irak an. Sein Sprecher Lone hatte in der Nacht zum Mittwoch gegenüber CNN erklärt, die UNO habe ganz bewusst auf eine stärkere Bewachung ihrer Bagdader Zentrale durch US-Truppen verzichtet. Wörtlich erklärte Lone: „Wir wollten keine große amerikanische Präsenz davor, wir wollten nicht so viele Sicherheitsleute, weil wir hier sind, um den Irakern zu helfen.“

Der folgenschwerste Anschlag auf eine Einrichtung und MitarbeiterInnen der UNO in ihrer 58-jährigen Geschichte hat in den Hauptquartieren in New York und Genf einen erheblichen Schock ausgelöst. Hinter der Fassade des vom Generalsekretär demonstrierten Durchhaltewillens wurden gestern – zunächst noch unter der Bedingung, nicht namentlich zitiert zu werden – erhebliche Zweifel und Kritik an der derzeitigen Rolle der Organisation im Irak und der Rolle des Generalsekretärs geäußert. Vereinzelt wurden gestern auch Forderungen nach einem völligen Rückzug der UNO aus Irak laut. Viele MitarbeiterInnen, die von Anfang an von einem Engagement der Vereinten Nationen im Irak unter der Bedingung eines amerikanisch-britischen Besatzungsregimes abgeraten hatten, fühlen sich durch den Anschlag bestätigt. Sollte es bei dieser Konstruktion bleiben und die UNO weiterhin auf die Rolle eines einflusslosen Erfüllungsgehilfen beschränkt bleiben, könne es – so eine häufig geäußerte Befürchtung – zu weiteren Anschlägen gegen die UNO im Irak kommen.

Auf Fragen nach einer Stärkung des UNO-Mandats im Irak oder gar einer Übernahme der Federführung von den USA und Großbritannien wollte sich Annans Sprecher Fred Eckhardt gestern in New York allerdings nicht einlassen. Er deutete lediglich an, dass die UNO ein neues Konzept für Situationen entwickeln müsse, in denen ihre Mitarbeiter so großen Risiken ausgesetzt seien wie im Irak. Dahinter steht auch die Befürchtung, dass Mitgliedstaaten ansonsten kein Personal in UNO-Missionen entsenden könnten. ANDREAS ZUMACH