piwik no script img

Archiv-Artikel

Geldinstitut haftet für Aktien-Verluste

Bremer Rentner gewinnt Prozess gegen Sparkasse. Diese muss ihm sein verspekuliertes Vermögen zurückzahlen

Bremen taz ■ Spekuliere nicht mit geliehenem Geld, sagt eine alte Lebensweisheit. Eine andere: Hände weg von Geldgeschäften unter Freunden oder Verwandten! Beide Regeln scheint die Bremer Sparkasse nicht ernst genommen zu haben – und das kommt sie teuer zu stehen: Nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil muss das Geldinstitut 179.000 Euro an den Schwiegervater eines früheren Mitarbeiters bezahlen und Kreditschulden von mehr als 290.000 Euro in den Wind schreiben.

Der heute 67-jährige Schwiegervater hatte 1997 mehr als 400.000 DM – gut 204.000 Euro –, die er größtenteils aus einer Lebensversicherung zugeteilt bekommen hatte, der Sparkasse anvertraut. Dort galt sein Schwiegersohn als erfolgreicher Anlage-Makler, und an der Börse herrschte Hausse. Sogar sechsstellige Kredite nahm der Rentner auf Empfehlung seines Sohnes auf, um höhere Gewinne erzielen zu können. Im Jahre 2000 fielen die Kurse, der Schwiegersohn schied aus dem Gewerbe aus und ließ sich „Spielsucht“ attestieren. Ein anderer Mitarbeiter der Sparkasse beruhigte den Anleger, der Aktienkurs werde sich schon wieder stabilisieren. Immerhin hatte der Rentner bereits 1,2 Millionen DM – knapp 614.000 Euro – von dem Spekulations-Konto abgebucht. Als im Dezember 2000 das bei der Sparkasse verbliebene Geld ziemlich weg war, war er so verzweifelt, dass er gegenüber einem Sparkassen-Mitarbeiter erklärte, da könne er sich „gleich an den nächsten Baum“ hängen.

Dass es eine Vereinbarung darüber gegeben habe, dass die Sparkasse die verantwortliche „Vermögensverwaltung“ des Rentners übernommen habe, bei Aufzehren des eingesetzten Geldes die Notbremse ziehen und die spekulativen Papiere verkaufen müsse („Stop-Loss“), hatte der Rentner damals nicht vorgebracht. Auch in den Unterlagen der Sparkasse findet sich dazu kein Hinweis. Also gab es eine solche Verantwortlichkeit der Sparkasse nicht, argumentierten deren Anwälte. Das Hanseatische Oberlandesgericht sieht das anders. Tatsächlich habe der Mann seinem Schwiegersohn vertraut, dieser das Vermögen eigenhändig verwaltet, und das Geldinstitut müsse sich sein Handeln „zurechnen lassen“.

Wenn die beiden heute vor Gericht erklären, es habe eine „stillschweigende Übereinkunft“ über Vermögensverwaltung und eine „Stop-Loss“-Vereinbarung gegeben, dann reiche das aus. Es sei „lebensfremd“, unter Verwandten eine schriftliche „vertragliche Vereinbarung“ zu erwarten – zumal 1997 die Kurse gestiegen seien, es also keine Veranlassung dafür gegeben habe. Selbst dass der Vorgesetzte des Schwiegersohns nicht unterrichtet worden sei, stünde dem nicht entgegen.

Die Sparkasse steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass bei einer Beratung nicht gefragt werden dürfe, ob es private Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Kunde gebe. „Vermögensverwaltungen“ gebe es heute ausschließlich in schriftlich fixierter Form, so dass nachträgliche Rechtsstreitigkeiten darüber ausgeschlossen seien. In zwei Fällen habe das Bremer Landgericht bisher zudem zu Gunsten der Sparkasse geurteilt. Eine handvoll Verfahren stehe noch aus, in denen es den besonderen Aspekt der verwandschaftlichen Beziehungen nicht gebe, erklärte eine Mitarbeiterin des Geldinstituts. Einen „Präzedenzfall“ sehe man in dem Richterspruch (Az.: 1 U 5/04) daher nicht, gegen die Nichtzulassung der Revision habe man Beschwerde eingelegt.

Klaus Wolschner