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Archiv-Artikel

Der „deutsche Wilhelm Tell“

betr.: „Graf Stauffenberg und Georg Elser“

Michael Wildt hat in seinem Vortrag über Stauffenberg und Elser deren unterschiedliche Biografien nachgezeichnet und treffend dargelegt, dass der „einfache Tischler“ viel mehr als der „elitär-reaktionäre“ Graf als „guter Deutscher“ angesehen werden kann und zum positiven Helden taugt. Er hat auch zu Recht darauf verwiesen, dass die offizielle Geschichtsschreibung zunächst zögerlich, dann aber vehement den Offizier zum vorbildlichen Widerstandskämpfer stilisiert, den Arbeiter hingegen bewusst verschwiegen bzw. verleumdet hat.

Es verwundert allerdings, dass Wildt die Wirkungsgeschichte von Elser nicht bis zur Gegenwart aufgearbeitet hat; er hat offenbar in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts seine Recherchen eingestellt. Die „Geschichtsschreibung von unten“ übergeht er gänzlich, die Gedenkveranstaltungen und Aktivitäten des in Heidenheim ansässigen Arbeitskreises und des Freundeskreises Johann Georg Elser sowie die Gedenkstätte in Königsbronn erwähnt er mit keinem Wort. Immerhin vergibt der Arbeitskreis seit 2001 einen nach Elser benannten Preis für Zivilcourage und wird nicht müde, den Schreiner als Demokraten, Kriegsgegner und mutigen Kämpfer gegen Sozialabbau in Erinnerung zu behalten.

Das von Peter Paul Zahl verfasste Schauspiel war ebenfalls ein Beitrag zur Gedenkarbeit. Man hätte sich von Wildt einen Hinweis auf Hellmut G. Haasis gewünscht, der mit seinen Schriften beharrlich an den listenreichen Schreiner erinnert, oder auf den Dramatiker Rolf Hochhuth, auf dessen Initiative Elser noch in diesem Jahr in Berlin ein Denkmal errichtet wird. Hochhuth war es auch, der mehrfach darauf verwiesen hat, dass Elser ein „wahrhaft großer Mann“ gewesen ist, der „nicht erst wie die Generalität handelte, als sie merkte, der Führer bringt die Rote Armee auf ihre Rittergüter“. Zudem ist das Elser-Attentat auch in Spielfilmen verarbeitet worden, erinnert sei an die Version von und mit Klaus Maria Brandauer. Anfang 2008 wurde im Theater Lindenhof Melchingen das Stück „Allein gegen Hitler“ uraufgeführt, das Felix Huby und Dieter de Lazzer geschrieben haben. In einer Publikation habe ich Elser zum „deutschen Wilhelm Tell“ ausgerufen.

Man kann also zusammenfassend sagen, dass seit Jahrzehnten beharrlich und nachhaltig an Johann Georg Elser erinnert wird und dass sich auch zunehmend Erfolge einstellen. Dass die „offizielle Geschichtsschreibung“ nach wie vor Graf Stauffenberg bevorzugt zum prominentesten Widerstandskämpfer stilisiert, lässt Rückschlüsse auf ihre Auftraggeber, auf ihre mangelnde Objektivität und auf ihre herrschaftsorientierte Parteilichkeit zu. ERHARD JÖST, Heilbronn