: Mitte steht auf bauchfrei
Das Bezirksamt Mitte weitet die Verbotszone für Händler mit Bauchläden um zehn Straßen aus.Vor allem Laden- und Restaurantbesitzer haben sich bitter über die billige Konkurrenz beschwert
VON ALENA SCHRÖDER
Souvenirjäger, Brezl- und Bratwurstfreunde haben es schwer in Mitte: Beinahe flächendeckend ist der Bauchladenhandel in der historischen Mitte Berlins sowie im Regierungsviertel und rund um den Potsdamer Platz verboten. Schmuckverkäufer, Würstchengriller und fliegende Händler dürfen schon seit dem Jahr 2003 auf über 60 Straßen, Brücken und Plätzen des Bezirks ihre Ware nicht mehr anbieten. Ab Sonntag kommen zehn weitere Standorte dazu.
„Wir müssen die touristische Qualität unserer Hauptstadt erhalten“, begründet der stellvertretende Bezirksbürgermeister Christian Hanke die drastische Maßnahme des Bezirksamtes. „Es gab Beschwerden von Touristen und Geschäftsleuten, die sich durch die vielen Händler belästigt fühlten. Das Bezirksamt hat es deshalb für notwendig befunden, hier einzugreifen und den Negativkatalog für Bauchladenhandel zu erweitern.“ Die jetzt hinzugekommenen Gebiete sind der Hackesche Markt, mehrere Brücken rund um die Museumsinsel, die Friedrichstraße zwischen S-Bahnhof und Torstraße sowie die Karl-Liebknecht-Straße zwischen Unter den Linden und Spandauer Straße.
Händler, die ab dem 1. August in diesen Gebieten weiter verkaufen, werden zunächst ermahnt. Werden sie wiederholt von der Gewerbeaufsicht erwischt, drohen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein Bußgeld.
Ursula Luchner-Brock, Branchenkoordinatorin für Tourismus und Gastgewerbe bei der Industrie- und Handelskammer Berlin, kann sich kaum vorstellen, dass beim Bezirk tatsächlich Beschwerden von Touristen eingegangen sind: „Die freuen sich doch über jemanden, bei dem sie mal ein kaltes Getränk oder eine Brezl kaufen können.“ Sie könne zwar nachvollziehen, dass der Straßenverkauf in sensiblen Bereichen – wie etwa rund um das Brandenburger Tor – nicht erlaubt sei, ein derart flächendeckendes Verbot hält sie jedoch für überzogen.
Und tatsächlich sind es keineswegs hauptsächlich Touristen, die die fliegenden Händler als Belästigung empfinden: Die Gewerbetreibenden in den besonders touristischen Gebieten beschweren sich schon seit langem über die billige Konkurrenz durch die mobilen Wurst-, Eis-, Brezl- und Souvenirverkäufer. „Das Verbot war längst überfällig“, sagt Erwin Leitner, Besitzer des „Weihenstephan“ am Hackeschen Markt und Bezirksmeister Mitte des Hotel- und Gaststättenverbandes. „Als bayrisches Lokal leben wir davon, dass die Leute bei uns Brezn und Bratwürste kaufen. Und dann laufen auf meiner eigenen Terrasse die Straßenhändler rum und versauen mir das Geschäft.“
Für Harald Büttner, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes, ist die Kritik der Laden- und Restaurantbesitzer berechtigt: „So ein Bauchladenhändler zahlt für sein Sondernutzungsrecht nur einen Bruchteil dessen, was ein Händler mit einem festen Stand oder einem Geschäft an Gewerbemiete zahlt“, sagt er. Außerdem hätten die „diversen Hinterlassenschaften“ der fliegenden Händler in der Vergangenheit für Ärger gesorgt. „Einen Standbesitzer kann die Stadt viel einfacher verpflichten, seinen Müll auch wegzuräumen. So ein Bauchladenhändler ist ja beweglich und nur schwer als Schuldiger auszumachen“, sagt Büttner. Im Übrigen handele es sich bei vielen fliegenden Händlern ohnehin um Schwarzarbeiter: Für die jetzt betroffenen Straßen, Brücken und Plätze stellt das Straßen- und Grünflächenamt schon seit geraumer Zeit keine Sondernutzungsrechte für fliegende Händler mehr aus. „Wer dort verkauft, hat das auch bislang ohne Genehmigung getan“, sagt Harald Büttner. Verboten ist ab dem 1. August also nur, was schon vorher nicht erlaubt war.
Mit verstärkten Kontrollen will das Straßen- und Grünflächenamt zusammen mit dem Wirtschaftsamt und der Polizei das neue Verbot jetzt auch flächendeckend durchsetzen. Den Händlern bleibt nur der Umzug in eine der wenigen noch verbleibenden Ecken Mittes, in denen der Bauchladenhandel noch erlaubt ist – am Alexanderplatz zum Beispiel. Dort hat sich noch keiner der Gewerbetreibenden über die Konkurrenz aus Grillwalkern, Schmuckverkäufern und Souvenirhändlern beschwert. Eine Harmonie, die schnell zu Ende gehen könnte, wenn der Platz jetzt das letzte attraktive Refugium aller Bauchladenhändler Mittes wird.