: Learning by klicking
Das Projekt „Lernen. Just in time“ bietet Mitarbeitern kleiner Unternehmen Fortbildungen an, die in den Arbeitsalltag integriert werden können. Dabei kommt es auf den didaktischen Methodenmix an
von TILMAN VON ROHDEN
Wenn Mitarbeiter in Unternehmen sich fortbilden wollen, gibt es auch heute noch zwei klassische Wege: Seminarbesuche oder Selbststudium mittels Lektüre. In den 90er-Jahren kam das E-Learning am Computer hinzu. Mit dieser Lernform verband sich die Idee, dass Mitarbeiter sich qualifizieren, ohne aus dem Berufsalltag herausgerissen zu werden. Sie erledigen ihre wesentlichen Pflichten und bilden sich am Rechner weiter, wenn sie dafür Zeit erübrigen können. Eine solche Lernorganisation kommt insbesondere klein- und mittelständischen Unternehmen entgegen, denn in diesen Betrieben ist die Personaldecke oft sehr dünn. Der ganz- oder mehrtägige Ausfall von Arbeitskräften, die Seminare besuchen, würde diese Betriebe besonders hart treffen.
Bei dieser Problematik setzt auch das Berliner Beratungsunternehmen Structura an. Es hat ausgewählte klein- und mittelständische Westberliner Unternehmen hinsichtlich ihres Qualifizierungsbedarfs analysiert und entwickelt jetzt entsprechende E-Learning-basierte Tutorien. „Die Qualifizierung per Internet ist für diese Zielgruppe besonders geeignet, weil Mitarbeiter ihren Arbeitsrhythmus im Betrieb beibehalten und Lernphasen individuell bestimmen können“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Andrea Voß. Das permanent verfügbare Lernangebot sei genau dann abrufbar, wenn es tatsächlich notwendig sei. Deshalb heiße das Projekt auch „Lernen. Just in time“. Geplant sind 25 Lernpakete, die jeweils ein bis vier Module umfassen. Pro Modul beträgt der Zeitaufwand rund eine Stunde.
Die ursprüngliche Idee, mittels E-Learning klassische Methoden der Weiterbildung wie den Präsenzunterricht überflüssig zu machen, hat sich mittlerweile als Illusion herausgestellt. „Nur eine CD auf den Tisch zu legen oder eine Web-Adresse zu nennen und den Mitarbeitern dann viel Spaß zu wünschen, reicht nicht, weil dafür die Akzeptanz fehlt“, sagt Wolfgang Fitsnar, Leiter des Unternehmens CTI Consulting, das sich auf E-Learning spezialisiert ist. Nach seinen Angaben dürfe der computergestützte Teil der Fortbildung in der Regel nicht mehr als maximal 50 Prozent ausmachen. Der Rest des Lernprozesses müsse mit Hilfe von alternativen Lernmethoden geleistet werden. Siegfried Schmauder von der TÜV Akademie Berlin beziffert den sinnvollen computerunterstützten Anteil auf 30 Prozent. „Dies ist das Ergebnis einer Phase der Ernüchterung, die vor zwei Jahren viele Anbieter vom Markt gefegt hat“, so Schmauder. „Um den notwendigen Methodenmix begrifflich zu fassen, spricht man heute deshalb nicht mehr von E-Learning, sondern oft von blended learning.“
„Lernen. Just in time“ setzt dennoch aufs reine E-Learning. Regelmäßiger Präsenzunterricht und persönliche Begegnungen sind nicht vorgesehen. Als Alternativen werden Chats, Foren sowie Kontakte zu Dozenten via E-Mail oder Telefon angeboten.
„Ich verstehe das Projekt als Alternative zu klassischen Präsenzseminaren“, sagt Andrea Voß. Doch auf dynamische Webtechnologien – etwa um Unternehmens- oder Kommunikationsprozesse zu visualisieren – wird in den angebotenen Themenfeldern weitgehend verzichtet. Nur in Ausnahmefällen wird multimedial, beispielsweise durch Filmsequenzen oder Audio-Unterstützung, gearbeitet. Die Hierarchisierung der Lektionen mittels Verzweigungen ist flach, so dass individuelle Vorkenntnisse und persönliche Interessen der Nutzer strukturell kaum berücksichtigt werden können. Teilnehmer mit Vorkenntnissen haben nicht die Möglichkeit, sofort in die Tiefe zu gehen. Eine der Lektionen wird komplett lediglich als PDF-Dokument zum Downloaden angeboten.
Birgit Knefel vom am Projekt teilnehmenden Unternehmen Berolina Elektronik sieht solch Einwände dagegen gelassen. Die Praktikerin verweist darauf, dass eine Vertiefung des Lernstoffs nicht unbedingt konzeptionell angelegt sein müsse. Diese sei auch im Unternehmen unter den Mitarbeitern möglich.
Das mitunter didaktisch konservativ wirkende Projekt geht andererseits auch erstaunlich innovative Wege. Die Webseite bietet nicht nur Lektionen, sondern versucht, mit den Chats und Foren Netzwerke sowie Geschäftsbeziehungen zwischen den teilnehmenden Unternehmen anzubahnen – ein didaktisch motivierter Return on Investment.
Das zur Zeit für die Nutzer kostenlose Projekt läuft noch bis Ende des Jahres und wird mit 350.000 Euro von der Europäischen Union sowie der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft finanziell gefördert. Structura strebt laut Andrea Voß an, dass das Projekt nach Abschluss der Förderphase von einem kommerziellen Bildungsträger fortgesetzt wird. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn zunächst einmal, so Voß, müsse ein Businessplan für interessierte Bildungsträger erarbeitet werden.