: Importierte Konserve
In Afrika wird Übergewicht zur Todesursache Nummer 1
BRÜSSEL taz ■ Hungerkontinent Afrika? Weit gefehlt: Dem Trend nach zu urteilen werden bis 2020 Wohlstandskrankheiten, die auf zu reichhaltige Ernährung zurückzuführen sind, Afrikas Todesursache Nummer eins. Wie kürzlich eine Fachtagung in Brüssel feststellte, starben schon 2001 eine Million Afrikaner an Bluthochdruck und Herz- und Kreislaufproblemen. Der „stille Tod“ könnte zur Epidemie werden, wenn der Trend zu längerer Lebensdauer, Verstädterung und Immobilität andauere, so die Experten.
In Libreville, Hauptstadt von Gabun – dem Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Afrikas aufgrund seiner Ölförderung –, leiden 30 Prozent der Bevölkerung an Bluthochdruck. Ein Problem der Reichen? Keineswegs: In Kameruns Dörfern liegt die Rate schon bei 25 Prozent. Der Grund: Immer mehr Afrikaner auch auf dem Land greifen zu Konserven und Importwaren. Malaria und andere Infektionskrankheiten erhöhen die Sterberaten unter den Betroffenen.
Die Gesellschaft hinkt der Krankheitsentwicklung hinterher. „Es gibt Gegenden, wo Dicksein hoch angesehen ist, weil es Reichtum anzeigt“, analysiert Dr. Lemogoum. „Bei uns in Kamerun wird eine Frau schief angesehen, wenn sie ein Jahr nach der Hochzeit nicht kräftig zugenommen hat. Aber wir müssen den Leuten einbläuen, dass Dicksein Bluthochdruck und Diabetes fördert.“ Dazu kommt das, was Lemogoum „Armutsstress“ nennt: Die Angst davor, irgendwann mittellos zu sein, begünstigt in Zeiten des Wohlergehens Überkonsum, und das gerade bei Leuten mit wenig Zugang zu Gesundheitsversorgung.
Bei der EU in Brüssel beginnt man nun, auf diese Probleme zu reagieren. So wurde eine panafrikanische epidemiologische Studie in Auftrag gegeben, die Grundlage für ein Zehnjahresprogramm der EU, der Afrikanischen Union und der Weltgesundheitsorganisation sein soll. Schwerpunkt ist die Prävention: Die Afrikaner sollen regelmäßig ihren Blutdruck messen und Aufklärung über Ernährung bekommen. Nur Geld darf es keines kosten. Denn während in Europa und Nordamerika jährlich 4.000 US-Dollar pro Kopf im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen, sind es in Afrika gerade 20. Und niemand wird einsehen, warum man dieses Geld für Dicke ausgeben soll.
FRANÇOIS MISSER