: Reform kein Allheilmittel
Nach Einigung über Gesundheitsreform droht erneut Streit. SPD-Fraktionschef Müntefering lehnt Diskussion um Bürgerversicherung ab. Grünen-Chefin Sager geht Reform nicht weit genug
BERLIN afp/taz ■ Die eine Gesundheitsreform ist noch nicht durch den Bundestag, da macht die nächste schon Ärger in der Regierungskoalition. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat die Grünen aufgefordert, sich mit Forderungen nach einer „Bürgerversicherung“ zurückzuhalten. „Ich kann die Grünen nur davor warnen, zu früh zu springen. Die Sache ist nicht entscheidungsreif“, sagte Müntefering.
Erst müsse ein überzeugendes Modell gefunden werden, anschließend könne über einen Systemwechsel geredet werden, sagte Müntefering. Die Bürgerversicherung allein löse die Probleme nicht: Beamte und Selbstständige wären nicht nur zusätzliche Beitragszahler, sondern auch zusätzliche Leistungsempfänger. Dies wird von den Grünen auch nicht bestritten. Allerdings hat die Grünen-Fraktionschefin Krista Sager am Wochenende erneut betont, mit dem frisch ausgehandelten Gesetzentwurf lasse sich höchstens bis 2006 eine Beitragsstabilität erreichen. Dann seien neue Reparaturen nötig.
Deshalb plädierte Sager für die Bürgerversicherung und forderte die SPD auf, noch in dieser Legislaturperiode eine Grundsatzentscheidung darüber zu treffen. Keinesfalls aber sei mit der vorliegenden Gesundheitsreform ein Kompromiss erreicht worden, den es lohne zu feiern.
Darin wiederum war Sager sich mit vielen Interessengruppen einig. Die Ärzteverbände kündigten an, sie hätten nicht die Absicht, in den Praxen die Zuzahlungsgebühren einzutreiben. Der DGB erklärte, der Konsens von Regierung und Opposition sei ein Programm zur Senkung der Nettolöhne. Im Prinzip hätten nur die Versicherten die Lasten zu tragen. Die Reform wird heute und morgen von den Fraktionen beraten und soll in zwei Wochen in den Bundestag, um am 1. Januar 2004 in Kraft zu treten.
Die Debatte um die Bürgerversicherung jedoch wird auch gegen Münteferings Wunsch heute weitergehen. Denn heute tagt die Rürup-Kommission zur Sanierung der Sozialsysteme zum letzten Mal. Am Donnerstag wird sie ihren Abschlussbericht der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) überreichen. Darin schlägt die Kommission vor, das Gesundheitssystem auf eine gleichzeitig nachhaltige und gerechtere Finanzierung umzustellen. Dazu bietet sie zwei Modelle an: die „Kopfpauschale“, die jeder unabhängig vom Einkommen zahlt, und die „Bürgerversicherung“, in die alle Bürger mit allen Einkunftsarten einzahlen. Bislang wird der Kopfpauschale nachgesagt, sie sei zwar unsozialer, setze jedoch Wirtschaftsimpulse. Die Bürgerversicherung dagegen gilt als gerechter, nagelt jedoch die Finanzierung der Krankenkassen weiterhin an den Lohneinkünften fest. UWI
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