: Polizisten bald mit Nummer
Der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft strebt eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten an – auch für solche in geschlossenen Einheiten. CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus sträubt sich
VON KAI VON APPEN
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein. Wenn der Staat intolerable Verhaltensweisen unterbinden oder sanktionieren möchte, beschließt er Gesetzesnormen. Wenn es jedoch darum geht, rechtswidrige Verhaltensweisen bei der Polizei zu ahnden, tun sich Politiker in Hamburg schwer – und diskutieren, ob die erforderlichen Maßnahmen per Gesetz geregelt werden sollen oder nur durch eine Verwaltungsvorschrift.
Im Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft herrschte am Donnerstagabend eine ungewöhnliche Einigkeit. Denn im Prinzip sind sich alle des Problems bewusst. Polizeiliche Straftäter, insbesondere solche, die aus geschlossenen Einheiten heraus agieren, sind oft nicht identifizierbar und damit nicht dingfest zu machen. So ergab eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei, dass von den 1.000 Strafanzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren gestellt wurden, nur zwei zur Anklage gekommen sind. „Häufig ist es so, dass der Täter nicht ermittelt werden kann“, sagt Oberstaatsanwalt Wolfgang Ehlers, „selbst wenn herausgefunden werden kann, welche Polizeieinheit tätig war.“
So im Fall eines Mannes, dem bei einer Demonstration im Dezember 2007 von einem Beamten das halbe Ohr durch einen Schlag mit einem Tonfa-Schlagstock abgerissen worden ist. Die Berliner Festnahmeeinheit ist bekannt, der Schläger jedoch nicht identifizierbar, da die Kollegen ihn decken.
Um das Problem ein wenig einzudämmen, hatte SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage 1995 mit dem Polizei-Personalrat die Dienstvereinbarung „PDV 350“ abgeschlossen. Sie regelte das Tragen von Namenschildern im Dienst. Demnach sind PolizeibeamtInnen in Ausbildung, auf Fußstreifendienst und im höheren Dienst verpflichtet, Namensschilder zu tragen.
Für Polizisten in geschlossenen Einheiten ist das Tragen jedoch freiwillig, ausgenommen sind nur die Einsatzleiter. „Auch Beamte in geschlossenen Einheiten müssen individuell erkennbar sein“, meint die Innenexpertin der mitregierenden Grünen, Antje Möller. Die Linkspartei hat nun eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG) in der Bürgerschaft gestartet, die eine Kennung für BeamtInnen auch in geschlossenen Einheiten durch einen sechstelligen Buchstaben- und Zahlencode an Uniform und Helmen zwingend vorschreiben soll. „Das ist natürlich ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Polizei“, begründet die Innenpolitikerin der Linken, Christine Schneider, den Entwurf. „Das muss per Gesetz geregelt werden und nicht durch eine Verwaltungsvorschrift“.
Ein entsprechender Passus im Hamburger Polizeigesetz hätte dann auch Gültigkeit für Polizeieinheiten aus anderen Bundesländern, wenn sie in Hamburg eingesetzt werden. „Auswärtige Einheiten sind ja in Amtshilfe tätig“, erläutert die Verwaltungsrechts-Expertin Cornelia Ganten-Lange. „Dann gilt natürlich das SOG vor Ort, alles andere wäre ja krude.“
Doch eine SOG-Änderung wollen die anderen Parteien nicht mittragen. „Es besteht kein gesetzliches Regelungsdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit“, sagt der CDU-Innenpolitiker Kai Voet van Vormizeele.
Letztlich verabschiedete der Innenausschuss einhellig – bei Enthaltung der Linkspartei – einen Antrag der GAL-Abgeordneten Möller, der keine gesetzliche Regelung anstrebt, sondern eine verwaltungsrechtliche Richtlinie, die mit Personalrat und Gewerkschaften ausgehandelt werden soll. Ziel soll sein, „auch bei geschlossenen Einheiten von Polizeikräften eine Regelung zu finden, die die individuelle Identifizierbarkeit ermöglicht und der notwendigen Fürsorgepflicht gegenüber den Polizisten gerecht wird.“
CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus sieht dagegen „keinen Bedarf für eine neue Regelung“, obwohl auch er angeblich für das Transparenzbedürfnis Verständnis hat. Dem Vorschlag, die Hamburger Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht auch von anderen Ländern übernehmen zu lassen, erteilte er erst recht eine Absage – das laufe ja darauf hinaus, auswärtigen Polizisten, die den Hamburger Kollegen zur Hilfe eilten, zu sagen: „Wenn ihr hier herkommt und euch von den Autonomen verprügeln lasst, habt ihr noch Namenschilder zu tragen.“ Das, so Ahlhaus, sei eindeutig zu viel verlangt.