„Wie bei einem Vulkan-Ausbruch“

In einer Glasfabrik in Nienburg läuft die Schmelzwanne aus. Feuerwehr versucht vergeblich, den Lava-Strom stoppen. Jetzt muss der Presslufthammer ran

Nienburg dpa/taz ■ Von solch einem Einsatz wissen sonst nur Feuerwehrleute auf Sizilien zu berichten. Mit einem rotglühenden Lava-Strom hatten Brandschützer in Nienburg an der Weser am Mittwochabend zu kämpfen. Aus der riesigen Schmelzwanne einer Glashütte waren rund 400 Tonnen flüssiges Glas ausgelaufen. Arbeiter hatten das Leck bei einer Routine-Kontrolle entdeckt. Doch die stundenlangen Versuche der fast 300 Feuerwehrleute, die 1.300 Grad heiße Masse noch zu stoppen, schlugen fehl.

Das glühende Flüssig-Glas – das Unternehmen Rexam wollte es unter anderem zu Glasflaschen verarbeiten – lief in den Keller unter der Schmelzwanne.

Mehrere Male kam den Brandschützern die glühend heiße Masse gefährlich nahe. „Das Flüssigglas lief aus wie Lava und auf die Einsatzkräfte zu“, berichtet der stellvertretende Sprecher des Kreises Nienburg, Michael Siegel, der selbst als Feuerwehrmann vor Ort war. Ein Feuerwehrsprecher sagte: „Das sah aus wie bei einem Vulkanausbruch.“

Verletzt wurde bei dem Unfall niemand. Wegen der großen Anstrengung mussten jedoch die Einsatzkräfte oft ausgewechselt werden. Die hohen Temperaturen und der Wasserdampf machten den Feuerwehrmännern schwer zu schaffen. Die ganze Nacht liefen jede Minute knapp vier Kubikmeter Wasser aus den Schläuchen, wie Landkreis-Sprecher Siegel berichtete. Gegen die heiße Glas-Lava nützte das nichts. Gestern rückten Spezialisten in Schutzanzügen an, um mit Presslufthämmern die gehärteten Glasschichten zu zertrümmern.

Die Höhe des Schadens konnte das Unternehmen noch nicht abschätzen. Der Bau einer neuen Schmelzwanne – das Herzstück der Glasproduktion – koste rund 10 Millionen Euro, sagte der Personal-Direktor des Verpackungsherstellers, Lutz Badtke. Das Unternehmen will die Wanne aus Spezialstein, die mit fast 110 Quadratmetern so groß wie die Grundfläche eines Einfamilienhauses ist, aber reparieren lassen. An den anderen drei Schmelzwannen am Rexam-Standort Nienburg lief die Glasproduktion gestern normal weiter.

Zwischenfälle wie den Lava-Ausbruch von Mittwochabend muss eine Glashütte nach Ansicht Badtkes durchaus einkalkulieren. „Jeder, der in der Glasindustrie arbeitet, weiß, dass so was passieren kann.“ An den Schmelzwannen, die starken Belastungen standhalten müssen, könne es zu Abnutzungserscheinungen kommen. In der Glashütte in Nienburg hatte es vor zehn Jahren einen ähnlichen Unfall gegeben.