: CarSharing soll ein Geschäft werden
Die Bremer CarSharing-Firma „Cambio“ ist „Marktführer aus eigener Kraft“: In acht Städten hat sie über 10.000 Kunden. In Hamburg will nun die Konkurrenz zuschlagen: Der Shell-Konzern will das Auto-Teilen aus der Öko-Nische herausholen
von Klaus Wolschner
320 Fahrzeuge in acht Städten sind eine stolze Bilanz. 13 Jahre ist es her, dass Cambio-Geschäftsführer Joachim Schwarz ganz klein in Bremen angefangen hat, für ökobewusste Menschen einen gemeinsamen Auto-Service aufzubauen. Im Jahre 2000 wurde „Cambio Deutschland“ daraus, im Oktober 2003 wagte er den Schritt nach Hamburg. Der dortige Berliner Anbieter „Stattauto CarSharingAG“ kriselte, und während in Bremen schon 100 Fahrzeuge zur Teilen bereit standen, waren es im dreimal größeren Hamburg nur 60 – da schienen Expansionsmöglichkeiten zu bestehen.
Auch andere liebäugelten mit dem CarSharing an der Elbe. Im Frühjahr lockten zwei Große die 1.400 Stattauto-Aktionäre mit großzügigen Angeboten: ShellDrive bot nach Angaben des Stattauto-Gründers Martin Stutzbach 31 Cent für die Aktie, die holländische Gruppe Greenwheels sogar 40 Cent. Greenwheels bekam den Zuschlag und 75 Prozent der Hamburger und Berliner Stattauto-Aktien. Dafür zahlte die holländische CarSharing-Firma stolze 400.000 Euro und versprach, weitere 300.000 Euro in Hamburg zu investieren – Geld, das die Berliner Stattauto-Gründer nicht gehabt hätten.
Dass auch Shell Interesse zeigte, beweist: Der CarSharing-Markt ist zu einem interessanten Geschäftsfeld geworden. Unter dem Namen „ShellDrive“ war die Shell-AG im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen in das Geschäft eingestiegen, kaufte kleine Unternehmen der Branche auf oder gründete neue. In 14 Städten ist der Ölmulti inzwischen vertreten. In Düsseldorf, dem Pilotprojekt, stiegen nach Angaben des ShellDrive-Promotors Sebastian Keil die Mitgliederzahlen von 800 auf 2.400. Die Preise liegen im Rahmen derer anderer Anbieter. Weil Shell aber selbst über genug Eigenkapital verfügt, entfällt die sonst übliche Mitglieder-„Kaution“ in Höhe von mehreren hundert Euro, die für viele potenzielle Neumitglieder eine Hürde darstellt.
Und ShellDrive hat einen ökounverdächtigen Namen. Man wolle gerade nicht eingefleischte Ökos umwerben, sagt Shell Deutschland-Sprecher Rainer Winzenriet. Vielmehr gehe es darum, die Marke Shell auf andere Geschäftsfelder auszudehnen. Nach einer von der Bundesregierung finanzierten Studie des Wuppertaler Institutes für Klima, Umwelt, Energie über CarSharing spielen politische Motive immer weniger, pragmatische und finanzielle dagegen mehr die entscheidende Rolle: Wo Parkplatznot herrscht, floriert CarSharing. Und wer selten ein Auto braucht, kann mit CarSharing erheblich sparen.
ShellDrive will in ganz Deutschland präsent sein, derzeit bereitet Sebastian Keil den Marktauftritt in Hamburg vor – gegen Stattauto/Greenwheels und Cambio. Man werde das Vorhaben in Kürze präsentieren, sagte Keil. Die Konkurrenz nimmt es gelassen. „Wir zittern nicht, die ganze Branche findet es eher spannend“, sagt die Bremer Cambio-Geschäftsführerin Kerstin Homrighausen. Derzeit hat CarSharing in Deutschland etwa 70.000 Kunden, jedes Teilauto wird im Schnitt von 27 Mitgliedern genutzt. Die Erfahrung zeigt: Je mehr Kunden in einer Stadt sich an CarSharing beteiligen, desto besser ist die Auslastung zu planen. Die Werbung des Ölriesen könnte die Branche insgesamt auf ein neues Niveau bringen. Mit mehreren Millionen potentiellen Kunden rechnen Experten und Betreiber. Die CarSharing-Karte kann auch das Zweitauto ersetzen.
Berührungsängste kannte die Branche auch in der Vergangenheit nicht. Im November 2003 ging etwa Cambio mit dem Autovermieter Hertz eine Kooperation ein. Mit der CarSharing-Karte kommt der Kunde seither auch an jeder Hertz-Station unbürokratisch an einen Mietwagen – abgerechnet wird über Cambio zu Hertz-Tarifen mit Rabatt. In bestimmten Situationen seien die Kunden eben mit einem traditionellen Autovermieter besser bedient, sagen die Cambio-Leute kühl – etwa bei einer „One-Way-Fahrt“. Wie andere CarSharing-Unternehmen kooperiert Cambio auch mit dem örtlichen ÖPNV-Unternehmen – in Bremen bekommen JahreskarteninhaberInnen einen Teil der Cambio-Grundgebühr erlassen. Mit derselben Plastikkarte kann man hier bereits die Straßenbahn bezahlen und gleichzeitig die Cambio-Autotür öffnen.
Unternehmen, die auf Teilautos zurückgreifen, locken die CarSharer mit Sonderangeboten. „Firmen nutzen das KfZ vornehmlich werktäglich tagsüber, die Nachfragespitzen privater CarSharing-Nutzer liegen hingegen am späten Nachmittag, am Abend und am Wochenende“, erklärt Homrighausen. Bremens Umwelt- und Bausenator Jens Eckhoff (CDU), dessen Behörde bei Cambio Firmenmitglied ist und fünf Dienstwagen abschaffte, hat schon ausrechnen lassen, dass die 2.500 CarSharing-Fahrzeuge in Deutschland den Parkraumbedarf um 50 Fußballstadien reduzieren.
Und was treibt die Shell-Gruppe, sich auf dem bisherigen Minoritätenmarkt zu engagieren? „Das Pilotprojekt Düsseldorf hat gezeigt, dass innovatives CarSharing profitabel sein kann. Mit der Expansion erreichen wir jetzt auch die richtige Größenordnung für diese Art von Geschäft“, lautet das Fazit des ShellDrive-Geschäftsführers Nicolás Ximénez Bruidegom. Alle Abonnenten des jeweiligen ÖPNV-Anbieters erhalten bei ShellDrive eine Ermäßigung von zehn Prozent auf sämtliche Fahrkosten sowie einen Rabatt auf den Monatsbeitrag.
Dass in der Branche die Gewinne nicht sprudeln wie eine Ölquelle, hat indes auch Shell schon gemerkt: Zum 1. September werden die Preise erhöht, im Schnitt um 2 Cent pro Kilometer und um 20 Cent pro Stunde. Nicht nur deswegen hat Cambio keine Angst vor dem Ölmulti-Konkurrenten.
www.cambioCar.de, www.carsharing.de, www.shelldrive.de, www.stattauto.de