: Triumphzug für jedermann
Im Einsteiger-Rennen bei den HEW-Cyclassics: Freie Straßen und ein sausender Pulk aus farbenfrohen Mitstreitern erschließen eine neue Dimension des Radfahrens. Der Windschatten und ein dichtes Feld verlangen höchste Konzentration
von gernot knödler
Die Masse macht‘s. Oder die Erlaubnis, bei Rot über Kreuzungen zu düsen. Vielleicht ist es auch das Adrenalin, das die Cyclassics im Körper freisetzen und Alltagsradler auch ohne Training einen Schnitt von 25 Stundenkilometern wuppen lässt. 55 Kilometer City – Wedel und zurück in höchstens zwei Stunden und zwölf Minuten, das Einsteiger-Rennen der Cyclassics.
Im Starterfeld auf der Kennedybrücke sind Alte, Junge, Dicke und Dünne versammelt, die meisten mit – zum Teil exquisiten – Rennrädern. Aber auch das eine oder andere Stadtrad inklusive Gepäckkorb fährt mit. Manch einer nutzt den verspäteten Start, für einen Gang aufs Dixie-Klo. Dann ein entfernter Schuss. Vorsichtig, um dem Vorder- oder Nebenmann nicht in die Hacken zu fahren, und etwas wackelig nehmen alle Fahrt auf.
Das dichte Feld zwingt die FahrerInnen von Anfang, Geschwindigkeit und Abstand der Fahrer rings umher aufmerksam zu beobachten. Immer wieder werden am Streckenrand kleine Gruppen gestürzter FahrerInnen mit Sani zu sehen sein. Wer Glück hat, marschiert mit einer verbogenen Felge nach Hause.
Die Kunst ist es, stets ein Hinterrad vor sich zu haben, an dem man kleben kann. Das merkt auch der Laie. Andernfalls heißt es, Lücken aus eigener Kraft schließen! Weil Tausende mitfahren, findet sich fast immer eine von hinten anrauschende Verfolgergruppe zum Andocken.
Manmal brummt es auch. Dann kommt ein stollenbereiftes Mountain-Bike angerollt. Man kann es hören, wie die Reibung Kraft schluckt. Auf den voll gefederten Bikes schwanken die Fahrer auf und ab wie auf Gäulen. Einem Tier von Mann reichen die Knie beim Treten fast bis an die Ellenbogen.
Die vier Steigungen in der zweiten Hälfte der Tour bringen viele kräftig ins Schnaufen. Wenige steigen ab. Für die Übrigen gibt es das Publikum, das mit seiner Begeisterung Kraft spendet. „Weiter“ - „machen“ heißt es auf zwei Pappschildern am Berg.
An einer flachen Strecke strecken kleine Jungs die Hände zum Abschlagen aus. Ein Dutzend Leute frühstückt am Fahrbahnrand. Es gibt persönliche Botschaften, Tröten, Rasseln und winkende Hände. Darüber, wie weit noch zu fahren ist, mache ich mir kaum Gedanken.
Die letzte Steigung ist der Pepermölenbek hoch zur Reeperbahn, kurze Zeit später flitzen wir die Wilhelmstraße hinunter ins Herz der City, durch ein HEW-Tor am Rödingsmarkt und dann in die Mö. „500“ zeigt ein Schild. Die Spur wird eng. Absperrgitter, dahinter jubelnde Massen. Ein Triumph für jedeN, der hier durchfahren darf!