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Archiv-Artikel

Größenwahn und Wirtschaftskrise

Schaeffler wollte den weltweit drittgrößten Automobilzulieferer Conti übernehmen. Und braucht jetzt Staatshilfe

Guttenberg macht ein „zukunftsfähiges Konzept“ zur Bedingung für Schaeffler-Staatshilfen

Die Übernahme: Am 15. Juli legt die Eignerin des Automobilzulieferers, Maria-Elisabeth Schaeffler, ein Übernahmeangebot für den dreimal so großen Konkurrenten Continental vor. Schaeffler bietet Continental-Aktionären erst 69,37 Euro, dann 75 Euro pro Aktie an. Gleichzeitig wird bekannt, dass Schaeffler bereits Optionen auf 36 Prozent der Conti-Aktien besitzt. Am 20. August 2008 schließen Schaeffler und Continental eine Investorenvereinbarung ab. Danach soll Schaeffler 49,99 Prozent von Continental übernehmen, die Strategie aber nicht beeinflussen.

Die Krise: Das Übernahmeangebot fällt mitten in den Beginn der Finanzkrise. Continental-Aktien sinken nach dem Bankrott von Lehman Brothers stark – zum Zeitpunkt der Übernahme Anfang 2009 sind sie nur noch 20 Euro wert. Daraufhin bieten weit mehr Investoren Aktien an als geplant. Insgesamt muss Schaeffler über 90 Prozent der Aktien von Continental für völlig überhöhte 75 Euro übernehmen. Wegen der Komplettübernahme ist Schaeffler nun auch für die Schulden von Continental verantwortlich – insgesamt haben beide Unternehmen 23 Milliarden Euro Verbindlichkeiten. Da Continental an der Börse nur ein Viertel des Kaufpreises wert ist, stehen den Schulden teilweise keine Werte gegenüber. Die Absatzkrise am Automarkt verschärft die Situation. Schaeffler droht die Insolvenz.

Die Rettungsvorschläge: Um eine Insolvenz und Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern, sucht Schaeffler im Januar intensiv nach privaten Investoren – vergeblich. Am 8. Februar verkündet Schaeffler, trotz intensiver Suche sei kein Investor gefunden worden. Auch Gerüchte über den Einstieg eines arabischen Staatsfonds erweisen sich als nicht begründet. Daraufhin bittet die Milliardärin in den folgenden Tagen mehrfach deutlich um Staatshilfe. Im Gegenzug erklärt sich Schaeffler bereit, Teile des Unternehmens abzuspalten und Zugeständnisse an die Gewerkschaften zu machen. Am 18. Februar fordern daraufhin 8.000 Schaeffler-Beschäftigte Staatshilfen. Die Politiker geben sich dagegen eher zugeknöpft. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg macht ein „zukunftsfähiges Konzept“ zur Bedingung für Staatshilfen. Daran arbeitet Schaeffler derzeit. STEFAN SPIEGEL