: Die Schily-Verteidigung
Nach Bundesinnenminister Otto Schily wurde jetzt eine Schachstellung benannt. Ein Interview mit dem Namenskoordinator des Weltschachbunds FIDE, Lothar Hängauer
taz: Herr Hängauer, warum sollte Ihrer Auffassung nach der Bundesinnenminister mit einer eigenen Schachverteidigung gewürdigt werden?Lothar Hängauer: Nun, Herr Schily ist leidenschaftlicher Schachspieler, hat viel für das Vergnügen auf den 64 Feldern getan und weiß als Führer der weißen Steine instinktiv, worum es geht, nämlich gegen die schwarzen Figuren.
Kennen Sie Beispiele aus der Schachgeschichte, in denen Menschen mit einer eigenen Schachverteidigung geehrt wurden?
O ja, die gibt es zuhauf! Denken Sie nur an die berühmte Grünfeldindische-Verteidigung! Dort kommt ein grünes Feld zu Ehren, obwohl es nicht ein einziges auf dem ganzen Brett gibt. Das gibt es nur beim Roulette, nämlich die Null. Als die hätte man freilich auch Schily nehmen können.
Uns Laien fällt immer auf, dass bei den Schacheröffnungen meist Länder oder Landstriche die Namenspatronen waren, etwa bei der Französischen oder Preußischen Partie.
Das stimmt! Und es ist kein Zufall, dass die wohl meistgespielten Eröffnungen, die Spanische Eröffnung und die Sizilianische Verteidigung, sich im Mittelmeerraum abspielen, also dort, wo auch der Bundesinnenminister demnächst Stärke zeigen will.
Aber die Flüchtlinge, die neulich von der „Cap Anamur“ aufgelesen worden sind, kamen vor Malta an Bord …
Sehen Sie, so wenig wissen die Menschen heutzutage von der Schachgeschichte! Bei jeder Schachpartie wird doch seit Jahrhunderten schon ein Schachgebot mit einem angefügten Kreuz vermerkt. Das geht auf den Malteserorden zurück, der bis ins 16. Jahrhundert jedes Schachgebot mit einer Art Kreuzsteuer belegte und sehr gut davon leben konnte. Das nur am Rande …
Aber Afrika hat dem Weltschach bisher wenig gegeben?
O nein! Denken Sie nur an den berühmten Casablanca-Film. Der sollte ja ursprünglich „Capablanca“ heißen, nach dem berühmten Kubaner, dem Lance-Armstrong der Zwanzigerjahre sozusagen. Aber der wurde dann von Aljechin als Weltmeister entthront, einem medialen Furzkissenimitator wie Friedrich Merz.
Kommen wir nun mal zur praktischen Seite der Auszeichnung. Wie sieht denn die von Ihnen entwickelte Schily-Verteidigung aus?
Es gibt im Schachspiel drei Arten von Eröffnungen: die offenen, die halboffenen und die geschlossenen. Bei Schily kann also nur eine geschlossene Eröffnung in Frage kommen, wo am Ende praktisch Schwarz nicht mehr herumziehen kann. Das heißt, dass man nicht mit dem e-Bauern beginnen darf. Es bietet sich zum Beispiel der Damenbauer an, der mit Doppelschritt von d2 nach d4 zieht. Wenn Schwarz daraufhin den schwarzen Bauern f7 nach f5 zieht, sind wir schon in der Schengen-Variante der Holländischen Partie gelandet, und dort kommt es fast wie von selbst zum so genannten „Stonewall“, wo sich die Bauern im weiteren Verlauf der Partie dann immer mehr blockieren und – gestatten Sie mir den militärstrategischen Vergleich – wie bei Verdun im Schützengraben liegen.
Kann man denn Otto Schily derart mit Militärischem in Verbindung bringen?
Nein, streng genommen natürlich nicht! Dafür fehlt ihm wohl der Geruch der Etappe. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass Schily nicht mehr reines Räuberschach spielt, wo es nur aufs Zerschreddern der Figuren geht. Das heutige Schachspiel ist mehr auf den Erstickungstod aus. Oder wie es Bobby Fischer sinngemäß einmal gesagt hat: Es geht darum, das Ego des Gegners zu brechen.
Wie viele Egos hat Schily denn bereits gebrochen?
In seiner Nähe hört man bekanntermaßen täglich die Egos knacken! Er rennt doch allen Mitarbeitern ständig mit Brett und Schachfiguren hinterher, um sie zum Spiel zu zwingen. Deshalb sind ihm hierzulande praktisch die Gegner ausgegangen …
… so dass er sie sich jetzt im Ausland sucht?
Ja, und das geht natürlich nur in fluchtsicheren Bereichen. Das ist der Hintergrund der Pläne.
Herr Hängauer, dann möchten wir Sie nun bitten, die Schily-Verteidigung einmal bildlich vorzustellen.
Gern! Da brauchen Sie sich nur die nachfolgende Endstellung anzuschauen! Da läuft nichts mehr! Außen herum patrouillieren die berittenen Dsachandschawid-Milizen, weiter innen schließt sich ein Ring aus Wachtürmen, dahinter wird rund um die Uhr von sehr aufmerksamen Kräften Fußwache gelaufen – und im Zentrum stehen die potenziellen Antragsteller.
Und der Fisch in der Mitte?
Das ist Bobby Fischer. Den hat Schily ja gerade in Japan verhaften lassen, um ihn gegen ein hohes Lösegeld an die USA weiterzuverscherbeln.
Herr Hängauer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
INTERVIEW:
REINHARD UMBACH