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Archiv-Artikel

In diesem Jahr keine Besserung in Sicht

Auch wenn die Konjunktur wie erhofft anspringt, rechnet die Bundesanstalt für Arbeit frühestens ab 2005 mit einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Lage für „dramatisch wie selten“

Von STEP

BERLIN taz/dpa/afp ■ In diesem Jahr wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt bescheiden bleiben. Heinrich Alt, Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit, räumte gestern ein, dass eine Verbesserung der Beschäftigungssituation frühestens 2005 zu erwarten sei. Voraussetzung sei allerdings ein Wirtschaftswachstum von mehr als 2 Prozent. Alt ging aber davon aus, dass die Wirtschaft bei einem Wachstum von 1,8 Prozent ab Herbst zumindest keine weiteren Stellen mehr abbaut.

Zuvor hatte der Vorstandschef der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, bei der Vorlage für die Arbeitsmarktzahlen des vergangenen Monats einen neuen Rekord vermelden müssen. 4.359.900 Menschen waren ohne Arbeit, so viel wie noch in keinem Juli zuvor. Die Belebung der Wirtschaft wirke sich noch nicht auf den Arbeitsmarkt aus, sagte Weise.

Grundsätzlich sei der Anstieg der Arbeitslosigkeit zu Ferienbeginn aber üblich, weil sich viele Jüngere nach Beendigung von Schule oder Ausbildung arbeitslos meldeten. Außerdem würden Anstellungen in vielen Fällen erst nach der Sommerpause vorgenommen.

Das Bundeswirtschaftsministerium verwies darauf, dass sich die Jugendarbeitslosigkeit sogar deutlich günstiger entwickelt habe. So sei die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent, die der Arbeitslosen unter 20 Jahren sogar um 7,5 Prozent gesunken. Insgesamt sei „die in den letzten Monaten festgestellte Stabilisierung des Arbeitsmarktes nicht in Gefahr“, erklärte das Ministerium.

Alarmiert zeigten sich hingegen die Gewerkschaften. Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB nannte die Zahlen „dramatisch wie selten zuvor“. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer kritisierte vor allem eine starke Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit. „Dies ist der Preis für die massiven Einsparungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik.“ Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach von einem „traurigen Rekord“. Er mache deutlich, „dass die Reformen am Arbeitsmarkt dringend fortgesetzt und intensiviert werden müssen“.

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hielt der Bundesregierung vor, sie sei bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf der ganzen Linie gescheitert. „Statt die Millionen Arbeitslosen in Deutschland weiter zu verunsichern, muss die Regierung endlich eine glaubwürdige Politik für mehr Wachstum machen“, sagte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. Sein CSU-Kollege Markus Söder forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sogar auf, seinen Urlaub abzubrechen. „Es ist verheerend, dass Millionen von Menschen arbeitslos sind und der Kanzler am Strand liegt“, sagte Söder.

Die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stieg binnen Jahresfrist um 360.000 auf 4,54 Millionen. Ende Juli erhielten 227.500 Selbstständige Überbrückungsgeld oder einen Existenzgründerzuschuss – 110.500 mehr als vor einem Jahr. Auf der anderen Seite lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Mai mit 26,45 Millionen um 518.000 unter dem Vorjahreswert.

Ende Juli gab es lediglich 296.000 offene Stellen. Das waren 70.500 oder 19,2 Prozent weniger als vor einem Jahr. In Westdeutschland gab es Ende Juli 2.759.700 Arbeitslose, 90.800 mehr als im Juni und 24.400 mehr als vor einem Jahr. In Ostdeutschland waren 1.600.300 Männer und Frauen offiziell als arbeitslos registriert. Das waren 35.700 mehr als im Juni, aber 17.600 weniger als im Juni 2003. Beim Jahresvergleich ist aber zu berücksichtigen, dass die 84.400 Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen seit Jahresbeginn in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr auftauchen.

Aufgeschlüsselt nach Bundesländern, ergibt sich im Jahresvergleich ein zwiespältiges Bild. In Berlin, Hamburg und dem Saarland sank die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen um über 3 Prozent. Gestiegen sind die Zahlen vor allem in Hessen und Nordrhein-Westfalen um je 2,8 Prozent. Am besten steht Baden-Württemberg mit 6,1 Prozent, am schlechtesten Sachsen-Anhalt mit 20,7 Prozent da. STEP