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Archiv-Artikel

Azubi-Vereinbarung gehalten – Lücke bleibt

Handel und Industrie erklären Ausbildungspakt mit der Regierung für erfüllt. Sie suchen aber weiter Praktikanten

Von UWI

BERLIN taz ■ Wenn man die Latte nur niedrig genug legt, ist sie leichter zu überspringen. Kaum sieben Wochen nach Abschluss des Ausbildungspakts zwischen Regierung und Arbeitgebern meldet der Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dass er sein Soll erfüllt habe – rund 19.000 neue Ausbildungsplätze seien angeworben worden.

Dies freilich, erklärte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun gestern, möge bitte so verbreitet werden, dass die Betriebe sich trotzdem weiter in der Pflicht fühlten: „Ich will den Druck, ich will mehr Plätze haben.“

Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks zeigte sich zuversichtlich. 6.200 Betriebe seien neu bei ihnen als Ausbildungsbetriebe gemeldet, erklärte der ZDH. Auch das Handwerk werde sein Soll von 30 Prozent der zugesagten neuen Ausbildungsplätze übertreffen. So verkündete es Handwerkspräsident Dieter Philipp.

Dafür, dass Rot-Grün das Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe für nicht ausbildende Betriebe auf Eis legte, versprachen die Arbeitgeberverbände im Juni, insgesamt 30.000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen. „Neue – nicht zusätzliche“ Ausbildungsplätze, betonte DIHK-Chef Braun gestern. Denn gleichzeitig werden Ausbildungsplätze auch abgebaut. Den Verlust zählen die Verbände offenbar jedoch nicht so gern. Rund 18.000 Plätze gehen dieses Jahr verloren, konnte DIHK-Ausbildungsexperte Günter Lambertz nur schätzen.

Die gestern in Nürnberg veröffentlichten Arbeitsmarktdaten verraten, dass es in diesem Juli 5,2 Prozent weniger betriebliche Ausbildungsplätze im Angebot gab als im Juli 2003. Damit hat sich gegenüber dem Juni der Abbau weiter beschleunigt. Hier betrug die Differenz zum Vorjahr noch 4,9 Prozent. Allerdings vermelden Arbeitgeber und Bundesagentur für Arbeit ohnehin ständig unterschiedliche Zahlen – das liege an unterschiedlichen Zählweisen, erklärte Braun gestern. Bis Ende des Jahres werde es einen Datenabgleich geben.

Wie die staatlichen Behörden rechnet jedoch auch Braun damit, dass im September 20.000 bis 30.000 nicht vermittelte junge Leute auf der Straße stehen werden. Für die gibt es ab Ende September ein Nachvermittlungsverfahren, einen „Kompetenzcheck“ – und vielleicht ein Praktikum von einem halben oder ganzen Jahr. 25.000 Praktikumsplätze sind ebenfalls ein Versprechen des Ausbildungspakts. Hier jedoch „müssen wir noch nacharbeiten“, gestand Braun. Erst 5.000 Praktika hat der DIHK angeworben. Die Betriebe hätten noch nicht begriffen, dass Praktikanten mit 190 Euro Monatslohn billiger sind als Azubis und somit „eine Chance“.

Wie dieser Kompetenzcheck aussieht und was den Jugendlichen abverlangt wird, ist gegenwärtig noch nicht klar. Es heißt, die Handelskammern arbeiteten an Tests, die dem Schema des Kfz-Mechatronikers entsprächen: „Wie wird Strom gemessen?“, sei dann etwa eine Frage. Braun vermutete gestern, dass die Bundesagentur für Arbeit Umzugs- und Wohnungskosten zuschießen werde, wenn ein Cottbusser Praktikant nach Stuttgart verschickt würde. Dies müsse noch verhandelt werden. Der Bildungsexperte vom DGB, Volker Scharlowsky, sagte dazu gestern zur taz: „Der DIHK verteilt die jungen Leute auf Kosten der öffentlichen Hand.“ UWI

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