Lynndie heißt in Dänemark Annemette

Auch Dänemarks Irak-Truppen sollen gefoltert haben. Hauptverdächtige ist eine 37-jährige Verhörspezialistin. Wegen der Affäre werden bereits Truppenführer abgesetzt

KOPENHAGEN taz ■ Am gleichen Tag, an dem in den USA die Anhörung der Soldatin Lynndie England zu den Foltervorfällen in Abu Ghraib begann, bekam auch Dänemark seinen Folterskandal. Im dänischen Lager „Camp Eden“ in der Nähe von Basra soll misshandelt und gefoltert worden sein. Nicht aus Spaß und Langeweile, wie England angeblich als Beweggrund angegeben haben soll, sondern um die Psyche widerspenstiger Gefangener zu brechen und sie zu Aussagen zu bringen. Die Affäre hat dazu geführt, dass am Dienstagabend die Truppenführer eines Gefängnisbataillons abgesetzt worden sind.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht aber die 37-jährige Annemette Hommel. Ihr wird vorgeworfen, Gefangene in „schmerzhaften, stressenden und unbequemen Stellungen“ gehalten, sie geschlagen und ihnen Wasser vorenthalten zu haben, um Aussagewiderstand zu brechen. Ans Licht der Öffentlichkeit gekommen waren diese Vorwürfe durch einen Zivildolmetscher, der die Führung des dänischen Heers von den Geschehnissen schriftlich informierte. Inzwischen sollen mehrere Soldaten, die Zeugen der Verhöre waren, die ungesetzlichen Verhörmethoden bestätigt haben. Ein Ermittlungsverfahren der Militärgerichtsbarkeit wegen „ungesetzlicher Verhörmethoden“ ist bereits in Gang gesetzt, das sich laut Staatsanwaltschaft aber vermutlich gegen mehrere Personen richten wird. Hommel ist bereits am Freitag voriger Woche vom Dienst suspendiert worden.

Die Führung des 496 Soldatinnen und Soldaten starken dänischen Bataillons von Camp Eden hatte zunächst aber nicht auf die Vorwürfe reagiert. Deshalb hat Verteidigungsminister Søren Gade am Dienstagabend den Befehlshaber der Truppe, Oberst Henrik Flach, sowie drei weitere führende Offiziere ihrer Posten enthoben.

Die bisherigen Ermittlungen hätten „erhebliche Zweifel an der Urteilskraft der Führung“ ergeben, begründet Gade die Suspendierung. Was wohl im Klartext bedeutet, dass der Truppenführung die Vorfälle zumindest nicht unbekannt gewesen sein dürften, sie aber nicht angemessen reagiert hat – wenn die Misshandlungen nicht gar von dieser sanktioniert oder gar veranlasst wurden. „Wir haben den Anspruch, Menschen ordentlich zu behandeln. Nun habe ich Informationen erhalten, dass dies nicht geschehen ist“, sagte Gade. Auch wenn die Foltervorwürfe in Camp Eden nicht von dem Umfang und der Art seien, wie in Abu Ghraib, stellte der Verteidigungsminister fest: „Es gibt nicht verschiedene Grade von Menschenrechtsverletzungen. Ein Verstoß ist ein Verstoß.“ Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiteten, sei das ein klarer Bruch der Genfer Konvention.

Annemette Hommel hat laut dänischer Medien eine staatswissenschaftliche Universitätsausbildung absolviert, war zeitweise im Außenministerium angestellt und ist seit 15 Jahren Offizierin. Die Kopenhagener Tageszeitung EkstraBladet beschreibt sie als eine der qualifiziertesten dänischen Militärangehörigen mit der Spezialkompetenz „Ermittlungsarbeit“. Sie habe sich bei Verhörübungen als „ausgesprochener Hardliner“ erwiesen und „große Erfahrung damit“, Gefangene zu brechen. Im Januar habe sie sich freiwillig zum Dienst in Camp Eden gemeldet.

Neben den jetzigen Foltervorwürfen ist laut Informationen von EkstraBladet und der Zeitung Politiken noch mehr faul in der dänischen Iraktruppe. Die jetzt eingeleiteten Ermittlungen würden sich auf „mehrere andere Vorfälle“ erstrecken. Die dänischen Soldaten waren in der Vergangenheit mehrfach in tödliche Schusswechsel im Irak verwickelt gewesen. Besondere Aufmerksamkeit hatte im vorigen Jahr der Tod zweier unbewaffneter Fischer erregt, welche angeblich auf ein Stoppzeichen hin nicht angehalten hatten und danach unter Feuer genommen wurden. Kopenhagen hatte diesen Vorfall mit großzügiger Schadensersatzzahlung an die Angehörigen der Opfer „geregelt“, eigene Soldaten oder Befehlshaber waren nicht zur Verantwortung gezogen worden. Es wird nun spekuliert, ob hier mit intern abgesprochenen Aussagen strafbare Handlungen verdeckt worden sind. REINHARD WOLFF