Bindende Wirkung

betr.: „ ‚Kalif von Köln‘ darf in Deutschland bleiben“, taz vom 28. 8. 03

Muss sich die Regierung nicht an Gerichtsurteile halten? Dabei sei mal ganz dahingestellt, was ich persönlich vom „Kalifen“ halte. Und wenn es mir zehnmal nicht passt, ein Urteil, so es denn rechtskräftig ist, sollte doch wohl eine bindende Wirkung haben. Auch für Herrn „L’état, c’est moi“-Schily.

BARBARA KIRSCH, Lüneburg

Das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts macht auf ein Dilemma aufmerksam. Einerseits ist zwar das Asylrecht Metin Kaplans verwirkt, andererseits darf er aber nicht abgeschoben werden. Und beides zu Recht. Denn es ist ja genau der Kern der Sache, dass wir in der Bundesrepublik noch so viel rechtsstaatliches Empfinden haben, Menschen nicht der Folter oder einer Gefahr der Folterung auszuliefern, ebenso unter Folter erpresste Beweise nicht zu werten. Schily scheint sich von diesem Empfinden zu verabschieden. Ein etwas milchgesichtiger Jungspund des Innenministeriums verkündete lautstark, dass Schily trotz des Urteils alles für Kaplans Ausweisung tun werde. […]

Die Aussage nimmt in mehrfacher Hinsicht keine Rücksicht mehr auf bisher gängige Zuständigkeiten und die hierzulande gerühmte Gewaltenteilung. Einem Gerichtsurteil, das sei also als Erstes gesagt, haben sich alle zu beugen, auch der Innenminister. Das ist so in Deutschland seit Ende von Sonnenkönigtum und Nationalsozialismus üblich! Es ist überhaupt die Frage, wie es in die Zuständigkeit eines Ministers fallen kann, eine Ausweisung voranzutreiben. Für Asylanerkennung, -aberkennung und eventuelle Ausweisung gibt es anerkannte Stellen, und es überschreitet Schilys Kompetenz, die Ausweisung einer Einzelperson zur Chefsache zu erklären. […] Denn des Ministers Aufgabe ist die der Legislative. Er hat gute Gesetze zu machen. […]

OTTO J. BERTELE, München