: Afrikalager verwirren die politischen Fronten
Otto Schilys Vorschlag findet ungewöhnliche Unterstützer. Was finden UNHCR und mancher Sozialdemokrat daran? Bei näherem Hinsehen erweist sich: Lager ist nicht gleich Lager, entscheidend ist der Rechtsschutz, den Flüchtlinge haben
BERLIN taz ■ Je länger der politische Streit um Asyllager in Afrika geht, desto mehr verwischen die Fronten. Während der einstige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sonst ein Verfechter von Law and Order, den Vorschlag scharf kritisiert, verteidigt der Vorzeigelinke Oskar Lafontaine die Lager-Idee von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Gestern erklärte dann die des Populismus unverdächtige Vorsitzende des Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), sie halte Lager für sinnvoll. Von den Befürwortern wird gerne auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR als Kronzeuge angeführt. „Da geht jetzt ein richtiger Klamauk los“, sagt Karl Kopp von Pro Asyl.
Doch Befürworter ist nicht gleich Befürworter. Schily selbst hat wiederholt dargelegt, welche Art von „Aufnahmeeinrichtungen“ er sich in Nordafrika vorstellt. Beamte aus EU-Ländern sollen prüfen, wer ein Flüchtling ist. Nur im nicht näher definierten Einzelfall soll es diese Prüfungen noch in Europa selbst geben. Wem nicht „Folter oder Verfolgung im Herkunftsland“ droht, der soll genau dorthin zurückgeschickt werden. Gerichte sollen die Entscheidungen der EU-Beamten nicht überprüfen dürfen. Schließlich, so Schily, befinde man sich außerhalb des Rechtsgebietes der EU. Asyl in Deutschland können die Lagerinsassen nicht beantragen, da sie gar nicht erst auf deutschem Boden ankommen. Nach dem Verfahren bleibt laut Schily erfahrungsgemäß „eine kleine Gruppe übrig, die schutzbedürftig ist“. Deutschland bekommen auch sie nicht zu sehen, für sie ist eine Unterbringung in der Nähe ihrer Herkunftsländer vorgesehen.
Dieses Auslagern von Asylverfahren lehnt Schilys frühere Staatssekretärin Sonntag-Wolgast ab. „Diese Idee von Schily halte ich für falsch“, sagte sie der taz. Sie will „Orientierungsstellen“ in Afrika, die „Flüchtlingen sagen können, wie groß ihre Chancen sind, in ein bestimmtes Land zu kommen“. Außerdem sollen diese „Vorposten“ so ausgestattet sein, dass sie Asylverfahren durchführen können. Allerdings sollen die Entscheidungen von Gerichten überprüft werden können – auch hier steht Sonntag-Wolgast gegen Schily.
Beim UNHCR lehnt man die Idee von „Aufnahmezentren“ in Nordafrika ebenfalls nicht grundsätzlich ab. „Wir halten zwar andere Ideen für besser“, sagt UNHCR-Sprecher Stefan Terlöken. Aber wenn die Lager den Flüchtlingsschutz verbesserten, sei die Idee zu prüfen. Allerdings wendet sich auch das UNHCR strikt dagegen, dass das Urteil eines Asylverfahrens nicht von einem Gericht geprüft werden kann. Terlöken kritisiert auch, „dass Schily das Flüchtlingsproblem aus Europa auslagern will“. Das UNHCR hat dagegen vorgeschlagen, einige Aufnahmezentren in Europa zu bauen. Grund: In den nächsten Jahren würden immer mehr Flüchtlinge kommen.
Oskar Lafontaine hingegen hat schon früher gegen Ausländer mobil gemacht. Bereits 1991 dachte er laut über eine Beschneidung des Grundrechts auf Asyl nach. DANIEL SCHULZ