: Kein Kampf dem Kampfhund
Ein Staffordshire-Bullterrier fällt einen Menschen an. Halter hat keine Erlaubnis für den Hund. Trotzdem hat die Polizei das Tier auch nach viereinhalb Monaten noch nicht aus dem Verkehr gezogen. Begründung: Ein Brief kann nicht zugestellt werden
Bremen taz ■ Wie oft muss ein Hund zugebissen haben, bevor etwas passiert? Diese Frage beschäftigt Marco Jesse, Vorsitzender der Drogenselbsthilfe J.E.S. Bremen, seit April, als einer seiner Mitarbeiter in den Räumen des Vereins hinter dem Bahnhof von einem Kampfhund angegriffen und im Gesicht schwer verletzt wurde. Der als aggressiv bekannte Staffordshire-Bullterrier hatte kurz zuvor schon einmal einen Menschen angefallen und gehört einem Klienten der Selbsthilfe.
Obwohl das zweite Opfer Anzeige erstattete und der Verein mehrfach beim Stadtamt nachhakte, ist das offensichtlich aggressive Tier bis heute nicht aus dem Verkehr gezogen worden. Die Begründung der Behörde: Da der Hundebesitzer nicht mit einem festen Wohnsitz gemeldet sei, könne ihm nicht mitgeteilt werden, dass sein Hund „sichergestellt“ werden müsse. Und folglich könne ihm die Polizei den Hund auch nicht wegnehmen.
Der Fall weckt schlimme Erinnerungen: In Hamburg fiel ein Kampfhund vor drei Jahren einen kleinen Jungen an; der starb an den Verletzungen. Auch hier war der Halter des auffällig aggressiven Kampfhundes nicht mit festem Wohnsitz gemeldet. Auch hier lautete die Begründung der Behörde, man habe nicht eingreifen können, weil die „Verbotsverfügung“ nicht zustellbar gewesen sei. In der Folge des schrecklichen Ereignisses wurden in vielen Bundesländern Gesetze erlassen, die das Halten gefährlicher Hunde einschränken sollten (die taz berichtete) – auch in Bremen. Diese Gesetze aber haben offensichtlich nur eine begrenzte Wirkung. Denn der in Bremen auffällig gewordene Kampfhund ist Staffordshire-Bullterrier – eine mittlerweile verbotene Rasse. Und sein Besitzer hatte auch vor Inkrafttreten des scharfen Gesetzes Ende 2001 keine Halte-Erlaubnis für den Hund beantragt.
J.E.S.-Vorsitzender Marco Jesse findet das unbegreiflich. „Wenn das Opfer ein kleines Kind gewesen wäre, hätte die Polizei längst reagiert“, sagt er. Der Hund laufe immer noch frei herum und gefährde sowohl die Klienten der Drogenselbsthilfe als auch andere BremerInnen. „Offenbar steht die Sicherheit der Bevölkerung nicht an erster Stelle“, schlussfolgert Jesse.
Das Stadtamt hingegen betont, auch Kampfhundebesitzer hätten ein Recht auf ein faires Verfahren. Stadtamt-Mitarbeiterin Marianne Hampe, zuständig für Kampfhunde: „Der Bürger muss gegenüber der Verwaltung das Recht zur Stellungnahme haben – dafür müssen wir ihn aber erstmal finden.“
Für Marco Jesse sind das Ausreden. Der Hundehalter sei der Polizei bekannt. Es könne daher kein Problem sein, ihn auch ausfindig zu machen, argumentiert er. Man habe den Fall „noch nicht abgeschlossen“, sagt Polizei-Sprecher Dirk Siemering. Weder das Sozial- und Einwohnermeldeamt, noch die ehemaligen Nachbarn hätten bisher Hinweise auf den Verbleib des Gesuchten geben können. Nach dem Hundehalter werde weiter gefahndet. Thorsten Busch