verfassungsklage
: Die Hilfe ist überfällig

Eines muss man dem rot-roten Senat lassen: Was seine Vorgänger versäumten, hat er, ohne Rücksicht auf den eigenen möglichen Gesichtsverlust zu nehmen, angepackt – den Bund auf zusätzliche Hilfen für Berlin zu verklagen. Dieser Schritt war überfällig, selbst wenn eine erfolgreiche Klage Berlin nicht von seinen Haushaltsproblemen erlöst. Jeder Euro ist bitter nötig.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Aber blicken wir zurück: Jahrzentelang hing Westberlin am Tropf des Bundes, eine wirkliche Integration auf dem westeuropäischen Markt fehlte, bedeutende Unternehmen – wie Siemens – hatten die Stadt längst verlassen. Das ist die tiefe Ursache für die schwache Wirtschaftskraft der Stadt, die in den 90er-Jahren weiter abnahm, allen Nachwende-Illusionen zum Trotz.

Auch heute ist Berlin, europaweit einmalig, eine Hauptstadt ohne ökonomische Funktion: Die großen Unternehmen sitzen in den alten Bundesländern, Börse und Europäische Zentralbank befinden sich in Frankfurt/Main. Dass eine Großstadt unter diesen Voraussetzungen finanziell nicht auf die Füße kommt, ist logisch – auch wenn man ihr vorwerfen mag, sich zu lange Über- und teilungsbedingte Doppelausstattungen, etwa bei der Polizei oder den Opern, gegönnt zu haben.

Der rot-rote Senat hat die Stadt zu einem Sparkurs verdonnert, der an die Substanz geht – in Schulen, auf Straßen und in Parks wird dies längst sichtbar. Wenn der Bund nicht will, dass seine Hauptstadt weiter verarmt und von der bundesdeutschen Entwicklung abgekoppelt wird, muss er wohl oder übel helfen. Und: Je länger er sich Zeit lässt, desto teurer wird es.

thema des tages SEITE 22