Haste ma 35 Milliarden?

Der Senat will morgen beim Karlsruher Verfassungsgericht seine Klage auf Bundeshilfe einreichen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) rechnet bei optimistischer Schätzung damit, dass 2007 Geld fließt

von STEFAN ALBERTI

Ein Mann, der lächelnd ein Bündel Papier in Kameras hält, mal vor sich, mal neben sich. Wie Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gestern die rund 80-seitige Verfassungsklage auf Bundeshilfen vorstellte, erinnerte an ein ähnliches Bild. Eines aus einer 20 Jahre zurückliegenden Pressekonferenz, das mit „Schtonk“ ins Kino kam: Ein Stern-Reporter präsentiert angebliche Hitler-Tagebücher als genialen Erfolg. Nur will Sarrazin gerade nicht à la Stern die Geschichte ummodeln – außer, die Klage scheitert: „Dann müsste ein gänzlich einmaliges Kapitel der Finanzgeschichte geschrieben werden.“

Die Klage beim Bundesverfassungsgericht soll SPD-Parteifreund Hans Eichel zur Hilfe zwingen. Von sich aus mag der Bundesfinanzminister Berlin nicht aus seiner Finanzmisere helfen. Eine „extreme Haushaltsnotlage“, wie sie der Senat erklärte, sieht er nicht. Sarrazin spricht von 35 Milliarden Euro, die er sich vom Bund erwartet. Sie sollen Berlin von seinen derzeit 50 Milliarden Schulden runterbringen, damit nicht länger wie jetzt jeder neunte Euro im Haushalt allein für Zinsen draufgeht.

Donnerstag soll die Klage in Karlsruhe sein. Mit einem Urteil rechnet Sarrazin im Frühjahr 2005, Geld könnte 2007 fließen. Dumm nur: Bis dahin steigen die Schulden auf 67 Milliarden an. Auch bei Hilfen in erwünschter Höhe blieben 32 Milliarden, noch mehr, wenn es später wird. Sarrazin schließt das nicht aus: „Es kann auch sein, dass es wesentlich länger dauert.“ Parallel dazu drängt er den Bund zu einem schnellen Finanzkonzept, um die wackelnde Fusion mit Brandenburg zu sichern – 2006 steht die Volksabstimmung an.

Sarrazin geht davon aus, dass andere Länder auf die Berliner Klage aufspringen werden. Etwa Bremen, das 1992 mit dem Saarland bereits erfolgreich Bundeshilfen einklagte, aber weiter schwächelt. In der Finanzverwaltung schließt man auch nicht aus, dass Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nachziehen, im Gegenzug sich die reichen Südländer wehren. Denn sie müssten laut Sarrazin mitzahlen. Im Ergebnis würde das Gericht nicht nur über Milliarden für Berlin, sondern über das gesamte Bund-Länder-Finanzierungssystem neu entscheiden.

Beim Prozess setzt der Senat auf einen Mann, der 1992 schon für Bremen Hilfen erstritt: Joachim Wieland, Experte für Finanz- und Steuerrecht an der Uni Frankfurt/Main. Die Klage geht per Post auf den Weg, weder per reitendem Boten noch mit Auftritt des Senats in Karlsruhe. Bloß keinen Druck machen, warnte Sarrazin: „Menschen, von denen man abhängt, sollte man niemals auf die Füße treten. Das weiß selbst ein Finanzsenator.“