: Fraktionen wollen umsteuern
SPD und Grüne kritisieren die Regierungsvorlage für Gewerbesteuerreform
BERLIN taz ■ Gegen die Begünstigung von Unternehmen durch den Gesetzentwurf zur Gewerbesteuer wenden sich jetzt Politiker von Grünen und SPD. „Große Firmen werden stark entlastet. Das geht in diesem Maße nicht“, sagte gestern Christine Scheel (Grüne), die dem Finanzausschuss des Bundestages vorsitzt. Auch der kommunalpolitische Sprecher der SPD, Bernd Scheelen, will die geplante Begünstigung der Konzerne reduzieren.
Dennoch zeigte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern auf der Klausur der SPD-Bundestagsfraktion überzeugt, dass es eine „solidarische, gemeinsame Lösung“ des Streits um die Gemeindefinanzen geben werde. Zuvor hatten die Abgeordneten heftige Kritik an den Gewerbesteuerplänen des Bundeskabinetts geübt, weil darin die Kommunen angeblich ungenügend für die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und die Änderungen der Gewerbesteuer entlastet werden. Zwar sagten Finanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD), dass sie ihren Entwurf nicht mehr ändern wollen, bevor sie ihn am kommenden Dienstag in den Bundestag einbringen; er sieht ein jährliche Entlastung der Kommunen von rund fünf Milliarden Euro vor. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sprach sich jedoch für eine höhere Entlastung aus. „Die Kommunen sollten besser ausgestattet sein, um mehr investieren zu können als bisher“, sagte er.
Die Mittel für eine höhere Entlastung sollten unter anderem aus einer Senkung des Bundes- und Länderanteils an der Gewerbesteuer stammen, forderte die Grünen-Finanzexpertin Scheel. Bis zu drei Milliarden Euro könnten so zusätzlich beschafft werden. Ein Kompromiss mit Eichel in dieser Sache ist in Sicht.
Die Grüne Scheel stützt ihre Kritik am Kabinettsentwurf unter anderem auf die Berechnungen des Wiesbadener Ökonomen Lorenz Jarass. Dieser kalukuliert, dass große Personengesellschafte ab 1. Januar 2004 Vorteile durch Eichels Gesetz genießen würden. Für sie soll die Belastung mit Gewerbesteuer gegenüber heute um bis zu 4,2 Prozent sinken. Um diese Steuersenkung zu ermöglichen, haben Eichels Experten zwei Änderungen in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Zum einen werden die so genannten Steuermesszahlen von fünf auf drei Prozent gesenkt, wodurch sich der zu versteuernde Gewinn der Unternehmen reduziert. Zum anderen werden von den Firmen gezahlte Zinsen nicht mehr zum Gewinn hinzugerechnet.
Demgegenüber steigt die Belastung für Freiberufler, die ab Januar erstmals Gewerbesteuer zahlen sollen, um bis zu 12,6 Prozent. Dies ist bei Ärzten, Anwälten oder auch freien Journalisten der Fall, die ein Jahreseinkommen von mindestens 50.000 Euro erwirtschaften und in den Städten mit den höchsten Hebesätzen für die Gewerbesteuer leben. Bei den Fraktionen von Grünen und SPD sieht man damit eine Schieflage zulasten des Mittelstandes. HANNES KOCH