: Auf der Suche nach dem verlorenen Job
Im Profil: Die Dortmunder Sozialarbeiterin Andrea Ludwig ist ein Hartz-Opfer unter vielen. Jobs gibt es bundesweit keine, fortbilden kann sie sich auch nicht mehr. „Ich kann nur noch die Rente einreichen,“ sagt die 42-Jährige
Andrea Ludwig packt ihr Hab und Gut. Vierhundert Euro Miete sind zu viel, zumindest ohne Aussicht auf einen Job. Jetzt zieht sie in eine kleinere Wohnung für 300 Euro monatlich. Das ist im Moment ihre einzige Arbeit. Der 42-jährigen Sozialarbeiterin geht es wie Hunderttausenden in Nordrhein-Westfalen: Eine Arbeit wird sie auf absehbare Zeit nicht finden, mit Hartz IV schwinden die Chancen auf eine Weiterbildung, das Geld wird noch knapper. „Jetzt bin ich am absoluten Tiefpunkt“, sagt sie. Gerade hat das Dortmunder Arbeitsamt ihre Weiterbildung zur Altentherapeutin gestrichen, die Vermittlungsquote sei zu gering. „Das ist Willkür“, sagt Ludwig. Andere Arbeitsagenturen wie zum Beispiel in Recklinghausen würden die einjährige Weiterbildung bezahlen. „Eigentlich kann ich gleich meine Rente einreichen“, sagt sie.
Andrea Ludwig hat immer um ihre Arbeit kämpfen müssen – SozialarbeiterInnen sind die ersten, die bei Sparmaßnahmen gehen müssen. Nach dem Studium in Hagen, damals hatte die verarmte Stadt noch eine Fachhochschule, betreute sie jugendliche Junkies. Eine knochenharte Arbeit, 24 Stunden am Tag. „Jederzeit kann ein Anruf kommen, dass meine Jugendlichen wieder eine Überdosis genommen haben.“ Ihre Jugendlichen ging auf den Babystrich. Nach vier Jahren wurde die Arbeit plötzlich eingestellt. Von da an hangelte Ludwig sich von ABM zu ABM. Sie arbeitet in Jugendheimen, beim Jugendamt, mit Junkies, bei Kirchengemeinden. Das Arbeitsamt hat keine Stellen zu vergeben, nur so absurde Projekte wie „ABM für ABM“ in Dortmund. Dort vermittelt sie, selbst arbeitssuchend, LeidensgenossInnen weiter, „in andere sinnlose Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“. Oder in Minijobs, nicht eine Vollzeitstelle hatte sie zu vergeben.
Nebenbei hat Ludwig ihr Steckenpferd gefunden. Sie finanziert privat eine Fortbildung zur Tanzpädagogin und gibt Tanzstunden in Altenheimen. Sie und die Alten sind begeistert. „Die Atmosphäre wurde sofort gelöster, SeniorInnen mit Schlaganfällen hatten neue Lust an der Bewegung, “ erzählt sie begeistert. Als ihre letzte ABM im vergangenen Oktober ausläuft, schreibt sie bundesweit dutzende Bewerbungen, ohne Erfolg. „Die Altenheime reagierten alle gleich: Die Idee fanden sie klasse, aber dann kam sofort die Frage, ob ich nicht ehrenamtlich arbeiten wolle.“ Klar wolle sie, sagt sie, aber sie wolle auch von etwas leben. „Ich habe keine Reserven mehr.“
Dabei war sie vor wenigen Wochen noch optimistisch: Mit der Weiterbildung zur Altentherapeutin, glaubt sie, könne sie in dem „Zukunftsmarkt der Alten“ Fuß fassen. Sie bewarb sich beim Institut für Altentherapie in Castrop-Rauxel und wurde angenommen, auch das Arbeitsamt wollte die 10.000 Euro für die Maßnahme berappen. Wenige Tage später sah das wieder anders aus: Sie bekam eine lapidare Absage vom Amt. Anzubieten hatte es ihr nichts. Dafür wird sie jetzt die typische Hartz-Karriere einschlagen: Ab Herbst bekommt sie Arbeitslosenhilfe, ab Januar dann Arbeitslosengeld II, 345 Euro plus Mietzuschüsse. Ludwig will Widerspruch gegen die Absage einlegen, sieht darin ihre letzte Chance. „Ich will arbeiten, fühle mich fit und engagiert.“ Dass diese Energie verpuffe, sei tragisch. ANNIKA JOERES