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Archiv-Artikel

Deckchen und Trachtenjäckchen

Unverwandter Blick einer freiwillig Ausgewanderten auf das bayerische Heimatdorf: Fotos von Birgit Bauer im Altonaer Museum

Vielleicht ist es ja ein Mythos: dass sich der Blick auf die Heimat ändert, sobald man sie verlässt, dass man fortan alles anders sieht, bei jedem Besuch ein bisschen mehr. Denn vielleicht gelingt sie erst spät, die endgültige Ablösung vom Herkunftsort: Lange noch tritt man, besuchsweise zurückgekehrt, in die alten Spuren; nuancenweise nur wird man sich entfernen können, wird immer Puzzleteilchen bleiben, dass – aufgedunsen oder leicht verkantet – doch immer wieder dahin fällt, woher es kam.

Letztgültige Wahrheit, all dies? Nein, Thesen, die der Besuch von Birgit Bauers Ausstellung D‘Allemagne im Altonaer Museum nahe legt. Dabei hat es an Distanzierungsversuchen der 1959 im bayerischen Altenstadt geborenen Künstlerin, die mit 20 ins französische Arles zog, nicht gefehlt: Zwischen Vertrautheit und Fremdheit wollte sie wandeln, wollte sich vom Schein der Dinge inspirieren lassen, vielleicht auch – der Titel Aus Deutschland transportiert es – ihren französischen Freunden ihren Geburtsort zeigen.

Ein wenig scheint sie dabei allerdings dem Klischee anheimgefallen zu sein: Denn bedeutet es nicht eine Reduktion, auf den Fotos zwanghaft Balkongeländer-Schnitzereien, in Flure gehängte Kuhglocken, geblümte Decken und Trachtenjäckchen zu zeigen? Ist es hilfreich, immer wieder Fensterbank-Arrangements mit herzigen Zwergen und Fliegenpilzen vorzuführen?

Von keinerlei Distanz getrübt ist der Zugang auf solchen Fotos, die oft niedlich bleiben und sich als harmlose Studien bäuerlicher Interieurs samt Personal gerieren: Da blickt einmal eine Bäuerin gen Himmmel, anderswo sitzen ein Opa mit Enkelin oder ein fernsehendes Paar in der Wohnung herum. Kompositorisch solide geben sich auch die Landschaftsaufnahmen, die aber immer gewollt wirken im Bemühen, das Changieren zwischen Nähe und Abstand zu inszenieren: Als ganz neu gesehenes exotisches Objekt will die Fotografin wohl das Kapellchen am Wegesrand verstanden wissen – doch die Draufsicht bleibt zu nah, um Allgemeingültiges zu transportieren; der Versuch, das Objekt als Pars pro toto zu inszenieren, schlägt fehl. Und dass Fokussierung allein noch keine Symbolik erzeugt, offenbart das Foto des Spielplatz-Holzpferdes, das nicht über sich hinausweist: Unspektakulär-alltäglich bleibt der Blick der Rückkehrerin; fast gelangweilte Vertrautheit scheint durch auf den Fotos des abgelegenen Heimatdorfs.

Unvertraut kommen dagegen Bauers Aufnahmen ostdeutscher Städte daher: Verwahrloste Plattenbauten in Weimar, leer stehende Bäderarchitektur auf Rügen hat sie festgehalten. Doch was soll uns dies, anno 15 nach der Wende? Sind solche Bilder, die auch der desinteressierteste Wessi inzwischen aus dem Fernsehen kennt, nicht eher Kost für Bauers französische Wahl-Landsleute? Und warum soll uns faszinieren, wie eine Ausgewanderte, erstmals gen Osten gereist, die Ex-DDR wahrnimmt? Fragen, die nicht einmal dadurch entschärft werden, dass die Fotos kompositorisch Neues böten. Und allein auf die Geschichte hinter den Bildern zu setzen kann – bei aller Neigung zum Diskurs über „Heimat“ und ähnliche Begrifflichkeiten – gelegentlich durchaus heikel sein. Petra Schellen

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 31.10.